Distributed Ledger Technology,

Weiterbildung

Die gesellschaftlichen Folgen der Blockchain-Technologie

Die gesellschaftlichen Folgen der Blockchain-Technologie
Dr. Konrad Hummler an der Paneldiskussion zum Thema: «Blockchain – Hype oder Revolution?» organisiert vom Departement der Hochschule Luzern – Informatik. (Bild: Martin Vogel)

Die Veranstaltung Community im Gespräch zum Thema «Blockchain – Hype oder Revolution?» organisiert von der Hochschule Luzern – Informatik war ein voller Erfolg und das schreibt auch der viel gelesene Blog «Inside Paradeplatz». Referent Dr. Konrad Hummler blickt in seinem Gastbeitrag auf die gesellschaftlichen Konsequenzen der Blockchain-Technologie.

Wie so oft, wenn Neues, wirklich Neues auf den Menschen und sein Umfeld trifft, folgt auf das erste, unverständige Erstaunen die helle Begeisterung mit ihren unvermeidlichen Übertreibungen.

Was wir derzeit rund um das Thema Blockchain beziehungsweise der Kryptowährungen erleben, entspricht genau einer solchen Abfolge von abwartender Furcht und masslosem Hype. Berichtet wird nunmehr über Kapitalerhöhungen insgesamt in Milliardenhöhe von Firmen, deren Realität lediglich im virtuellen Raum vorhanden ist und die insofern vielleicht gar nicht wirklich existieren.

Aktienkurse von einschlägigen Anbietern schiessen scharf in die Höhe, und selbstverständlich gibt es bereits wieder jene Zeitgenossen, die alles zuvor schon gewusst haben und sich lautstark zu den glücklichen Gewinnern zählen. Gönnen wir es ihnen. Die Ernüchterung wird auf den Höhenrausch folgen, das ist gewiss. Über die unabdingbaren Verluste wird dann weniger gesprochen.

Die Blockchain siegt

Was aber auch gewiss ist: Verschwinden wird das Phänomen der Blockchains und der in ihren Bereich gehörenden Kryptowährungen nicht mehr. Die Technologie ist zu raffiniert, ihre Effekte sind zu kraftvoll, als dass sie wieder aus der Welt zu verbannen wären. Und vor allem: Ihre Resilienz ist dank der denkbar hohen Dezentralität zu hoch, als dass – letztlich immer punktuell wirksame Eingriffe der Technologie echten Schaden zufügen könnte.

Deshalb lohnt es sich auch für all die Mutlosen, die vom gegenwärtigen Blockchain-Hype infolge Abseitsstehens nicht direkt profitieren können, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Auf die eine oder andere Weise wird man in Zukunft immer wieder der Blockchain-Technologie begegnen.

Eigentum gewährleisten

Was leisten Blockchains? Eigentlich nur etwas: Sie verschaffen dank ihrer unverfälschbaren Verkettung zur Vergangenheit eindeutige Gewissheit. Zum Beispiel über die Zuordnung von Dingen zu anderen Dingen oder zu bestimmten Personen. Die Eigentumsfrage wird damit anstatt über eine institutionelle Verknüpfung durch die Existenz eines unverfälschbaren Algorithmus’ gelöst.

An die Stelle einer komplexen, bis zu einem gewissen Grade auch unsicheren Verkettung von kooperierenden Instanzen, welche über den jeweiligen Stand der Eigentumsrechte Auskunft geben, tritt eine Gewissheit verschaffende Chiffre. Weil sie dezentral organisiert ist und somit nicht in die Hände einer monopolistischen Gewalt geraten kann, sind der Enteignung, wofür die Institutionen bekanntlich missbraucht werden können, enge Grenzen gesetzt.

Die Eigentumsfrage, eines der grossen und stetig vorhandenen Probleme der Menschheit, erfährt mit anderen Worten eine Wendung. Das Individuum, von der Institution oft beschützt, aber auch immer wieder betrogen, wird in die Lage versetzt, seine Verhältnisse selber zu regeln. «Empowerment» heisst das Stichwort, und dessen Tragweite kann gar nicht überschätzt werden. So, wie in der Natur dank DNA das «Eigentum» an den Erbeigenschaften in die Hände des einzelnen gelegt wurde und das Wesen der Fortpflanzung deshalb eine private und nicht eine institutionelle Angelegenheit ist, so wird nun das Verhältnis zwischen Dingen und Menschen ent-institutionalisiert werden können.

«Mittels Blockchains und sich selbsterfüllenden Vertragsverhältnissen könnte beispielsweise die Korruption, eine der schlimmsten Geisseln der Menschheit, eliminiert werden.»

Eine der wichtigsten Herausforderungen der neuen Technologie liegt in deren anarchischem Charakter. Denn das, was wir Gesellschaft nennen, besteht im Wesentlichen aus Institutionen. Diese Institutionen leben von den Anknüpfungspunkten zu den Individuen.

Auf Schritt und Tritt des täglichen Lebens erfahren wir diese Anknüpfungspunkte: Beim Einkaufen in Form der Mehrwertsteuer, im Strassenverkehr beim Rotlicht beziehungsweise der Kamera zu dessen Durchsetzung, im Bankwesen künftig im automatischen Informationsaustausch zur Erhebung von Steuern.

Mehr Empowerment auf individueller Peer-to-Peer-Ebene bedeutet den Verlust von Anknüpfungspunkten bei den Institutionen. Man kann dies, je nach politischer Einstellung, begrüssen oder auch nicht. Darum geht es hier nicht. Vielmehr muss den Protagonisten von Blockchains klar sein, dass der Konflikt nicht nur programmiert, sondern inhärent ist. Er liegt in der Natur der Sache.

Es wird sich die Machtfrage stellen. Damit sie nicht gewaltsam ausartet, muss über die Implikationen von Blockchain-Anwendungen frühzeitig gesprochen werden. «Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende»: Dieser Leitspruch von Äsop ist nicht das Falscheste, gerade mit Blick auf das unerhörte Potential, das die Technologie für viele gesellschaftliche Belange in sich birgt.

Mittels Blockchains und sich selbsterfüllenden Vertragsverhältnissen könnte beispielsweise die Korruption, eine der schlimmsten Geisseln der Menschheit, eliminiert werden. Damit dieser und viele andere Träume Wirklichkeit werden, braucht es eine breit angelegte Debatte in der Zivilgesellschaft.

Bitcoins sind erst der Anfang

Wie heftig der Widerstand der Institutionen gegen die neuen Technologien ausfallen mag, illustriert der kürzlich erfolgte Rundumschlag des CEO von JPMorgan, Jamie Dimon, in Sachen Bitcoin: «Wenn wir einen Händler hätten, der mit Bitcoin tradet, dann würden wir ihn in einer Sekunde feuern.

«Die Idee, die Produktion von Geld und den Betrieb des Geldsystems vorausschaubaren Algorithmen anstatt menschlich geprägten Institutionen mit Monopolgewalt anzuvertrauen, ist nicht mehr aus der Welt zu verbannen.»

Dies aus zwei Gründen. Erstens, es verstösst gegen unsere Regeln. Zweitens, weil es dumm ist.» Man könne kein Geschäft veranstalten in einem Bereich, in welchem eine Währung aus ausschliesslich dünner Luft erfunden werde. Bitcoin sei «Betrug», in den nur Mörder, Drogenhändler und Bewohner Nordkoreas, Ecuadors und Venezuela investieren dürften. Soweit der CEO einer weltweit führenden Investmentbank, die als solche selbstverständlich seit je her weit davon entfernt war, mit «dünner Luft» zu handeln…

Bitcoins und Blockchains sind einander nicht gleichzusetzen. Bitcoins sind lediglich eine (ziemlich raffiniert angelegte) Anwendung der Blockchain-Technologie. Mag sein, dass die Bitcoins wieder verschwinden werden, mag sein, dass man sie verbietet, dass man deren Eigentümer ins Gefängnis setzt oder was auch immer. Aber die Idee, die Produktion von Geld und den Betrieb des Geldsystems vorausschaubaren Algorithmen anstatt menschlich geprägten Institutionen mit Monopolgewalt anzuvertrauen, ist nicht mehr aus der Welt zu verbannen, Jamie Dimon hin oder her.

Oder anders gesagt: Rückschläge, Zeiten der Ernüchterung, ja eine Art «War against cryptocurrencies» und dergleichen sind nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich. Je rascher es der Blockchain-Community gelingt, ihre Technologie dem grossen Publikum verständlich zu machen und positive, unanfechtbare Use-Cases zu produzieren, umso reibungsloser wird das Nebeneinander obsolet werdender Institutionen und der neuen Technologie ausfallen. Dies kann durchaus als eine Art Aufruf verstanden werden.

Dieser Beitrag ist auch im «Punkt Magazin» erschienen.

Schon gehört? Ab sofort können Kundinnen und Kunden der Hochschule Luzern Rechnungen in der Kryptowährung Bitcoin bezahlen.

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Kommentare

2 Kommentare

INDIANA JONES

Ein erfrischend weit ausholender und angenehm vernetzender (bis zu Äsop) Blog-Beitrag, der mir noch besser gefiele, wenn der Druckfehler im Zitat (Geißel statt Geisel) korrigiert würde. Hoffentlich war dies keine Freud'sche Fehlleistung eines Insiders! Selber bin ich mir nämlich nicht ganz sicher, ob nicht umgekehrt bald ein Teil der Menschheit zu Geiseln von bitcoins werden könnten, weil die Betroffenen sich nicht bewusst waren, eher in eine Art Aktie zu investieren, als in eine (gemäss bitcoin-Fans ultrafrei konvertible) Währung.

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Yasmin Billeter

Danke für Ihren Kommentar und den Hinweis. Der Fehler wurde korrigiert, wir verwenden die Schweizerdeutsche Rechtschreibung (Geissel).

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