6. April 2020

Archiv

Flexible Büroflächen: Nicht mehr nur ein Grosstadttrend

Flexible Büroflächen: Nicht mehr nur ein Grosstadttrend

JLL prognostiziert bis zum Jahr 2025 einen europaweiten Zuwachs von 25-30% im Segment der flexiblen Büroflächen. Diese Entwicklung lässt vermuten, dass es sich zukünftig nicht mehr nur um ein Nischenprodukt in der Immobilienwelt handelt. Chancen und Risiken bestehen jedoch nicht nur für Betreiber, sondern auch für Unternehmen und Mitarbeiter. Dabei stehen neben dem Konjunkturzyklus auch soziale und monetäre Aspekte im Vordergrund.

Philipp Ulrich; Michael Wicki

Ursprünglich von Mikrounternehmen und Freelancern ins Leben gerufen, entstanden bereits Anfang der 1980er-Jahre in den USA erste Business Center (Back, Josef, Sapegina, & Weibel, 2019). Aber erst die Finanzkrise im Jahr 2008 und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Wirtschaft verhalf flexiblen Büroarbeitsplätzen zum definitiven Durchbruch. Coworking steht dabei heute symbolisch für einen tiefgreifenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Bezeichnungen für flexible Bürolösungen sind jedoch so vielfältig wie die Angebote selber. Zusammenfassend lassen sich die folgenden drei Konzepte von flexiblen Büroarbeitsplätzen ausmachen (Bernhard et al., 2019):

Activity Based Working ist ein Konzept für die freie Arbeitsgestaltung in Unternehmungen mit dem Grundsatz «arbeiten, wo und wann man will». Das Ziel ist eine höhere Ortsflexibilität zu erreichen. Dies wird umgesetzt, indem sämtliche Teilnehmer Homeoffice, mobile Arbeit und Home-Arbeitsplätze installieren können. Hierbei kann es vorkommen, dass Mitarbeiter eine ganze Arbeitswoche zuhause arbeiten und nur zu Terminen im Büro erscheinen. Die zur Verfügungstellung sämtlicher Infrastruktur ist meist sehr aufwendig und kostspielig. Die Attraktivität wird in diesem Modell durch gezielte Schaffung einer Work-Life-Balance für Mitarbeiter gesteigert (Lindner, 2019).

Shared Workspaces ist ein Konzept, beidem einer Arbeitsgruppe ein Arbeitsbereich über eine Software bereitgestellt wird. Somit können die Akteure einer Division räumlich unabhängig auf die Plattform zugreifen und unabhängig über eine Benutzerverwaltung an Dokumenten arbeiten.

Coworking ist ein Konzept von mietbaren Arbeitsplätzen nach Bedürfnis, welche rund um die Uhr zugänglich sind. Das Ziel liegt in Bürogemeinschaften, in denen sich Startups, Freelancer und Jungunternehmen zusammenfinden und einen Arbeitsplatz oder eine Location teilen. Hierbei kann man sich nach Bedarf kurzfristig einmieten, auch für Stunden. Einen fixen Arbeitsplatz gibt es in der Regel nicht, jedoch wird ein Sitzplatz gewährleistet. Die zur Verfügungstellung sämtlicher Infrastruktur wird durch den Betreiber einer Location garantiert. Diese bieten u.a. Lounges, Kaffee-Bereich, Unterhaltungsecke, etc. (Brucker, 2018).

Das neue Arbeitsverhalten «arbeiten, wo und wann man will»

Aus Unternehmenssicht wie auch aus Sicht des Mitarbeitenden bieten flexible Büroarbeitsplätze viele Chancen, bergen aber auch Risiken. Weil die ganze Thematik noch relativ jung ist, gibt es zum Thema wenig verlässliche Daten und Fakten. Aktuell werden Erfahrungen gesammelt und der Betrieb wird laufend optimiert. Generell werden Arbeitsprozesse heute schneller und komplexer, bedingt vor allem durch die fortschreitende Globalisierung und den technologischen Wandel. Dies spiegelt sich auch in den Arbeitsprozessen nieder. Mit einer Veränderung des Arbeitsumfeldes versuchen Unternehmen einerseits, dieser Komplexität Rechnung zu tragen, andererseits effizienter zu werden und damit konkurrenzfähig zu bleiben. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Unternehmen versuchen, ihre Arbeitswelten so zu gestalten, dass Arbeitnehmende ihr volles Potenzial ausschöpfen können und dabei der Unternehmenserfolg maximiert wird (Thury, Venegas, & Worek, 2018).

Chances und Risiken für Unternehmen

Es bieten sich durch die neuen Modelle neue Chancen. Das Multitasking in der Unternehmung wird Bereichsübergreifend gefördert, Mitarbeiter sind weniger Stress ausgesetzt, Unterbrechungen im Arbeitsprozess werden reduziert. Summierend führt dies zu mehr Leistung in derselben Zeit.

Die Gefahren liegen darin, dass die soziale Interaktion unterbrochen werden kann, die Mitarbeiter immer mehr isoliert arbeiten und so der Know-how-Austausch verloren geht (Harth, Keller, Mache, & Robelski, 2017).

Führt das Konzept wirklich zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance?

Es bieten sich durch die neuen Modelle neue Chancen. Familie und Beruf können besser vereint werden aufgrund der flexiblen Arbeitszeiten und einem Wegfall des Arbeitsweges. Es entsteht eine gewisse Autonomie, der Austausch und das Networking in neuen Bereichen können gefördert werden.

Die Gefahren liegen darin, dass die Selbststrukturierung der Mitarbeiter scheitern kann, die Tendenz zu «unbezahlten» Überstunden kann steigen und der Wissensaustausch kann erheblich wegfallen (Harth et al., 2017).

Flexible Büroflächen noch nicht konkurrenzfähig

Derzeit gibt es weltweit rund 11 Mio. m2 flexible Arbeitsflächen, dies entspricht etwas mehr als 1% der gesamten Fläche für Büronutzungen (Bai, Mansell, & Troni, 2019). Diese Fläche konzentriert sich hauptsächlich auf die grössten Städte der Welt. Die beiden Städte London und New York bilden hier mit jeweils über einer Mio. m2 Fläche für Activity Based Working die Spitzenreiter (Bai et al., 2019).

In der Schweiz beträgt der Bestand aktuell immer noch weniger als zwei Prozent. Coworking ist damit hierzulande nach wie vor ein Nischensegment. Der klare Trend aus dem Ausland ist jedoch auch in der Schweiz spürbar (Bernhard et al., 2019).

Abbildung 1: Entwicklung von Flexible-Office-Space-Angeboten in Europa 2010 bis 2018 (JLL Büromarkt Schweiz 2019)

So verändern die Big Player den Markt 

Aktuell ist das Thema flexibler Arbeitsplätze vor allem im Zusammenhang mit der Firma WeWork in den Medien präsent. Anfang des Jahres 2019 erfuhr die Öffentlichkeit von den Plänen zum angestrebten Börsengang per September 2019 mit einem Wert von 47 Mrd. US Dollar (Haimann, 2019). WeWork war es gelungen, sich nicht als Immobilienunternehmen, sondern als Lifestyle-Brand zu vermarkten. Dies dank einer perfekten Kombination aus Entertainment und Tech (Martel, 2019). Doch seither hat sich einiges verändert. Der Börsengang wurde abgesagt, die Marktbewertung fiel um fast 80 % und der zuvor gross gefeierte CEO ist von seinem Amt zurückgetreten (Haimann, 2019).

Kenner des flexiblen Büromarktes verfolgten diese Entwicklung jedoch mit Skepsis. WeWork hat weder das neue Konzept mit flexiblen Arbeitsplätzen erfunden, noch ist sie der einzige Player in diesem umkämpften Markt (Martel, 2019). Trotz des rasanten Wachstums über die letzten Jahre, übersteigen die Ausgaben die Einnahmen bei weitem. Im ersten Halbjahr 2019 waren die Ausgaben (2,9 Mia. Dollar) fast doppelt so hoch wie die Einnahmen (1,5 Mia. Dollar).

Der grösste Konkurrent von WeWork – weit weniger bekannt – ist die Firma IWG mit dem Steuersitz in Zug. Das Unternehmen betreibt weltweit verschiedene Brands wie Regus, Spaces, No18, Basepoint, Open Office und Signature. Die gesamte Bürofläche beträgt über 4,6 Mio. Quadratmeter und ist somit bedeutend grösser als jene von WeWork mit ca. 1 Mio. Quadratmeter. Ganz im Gegensatz zu seinem Mitbewerber schreibt IWG jedoch Gewinne. Trotzdem besitzt IWG nur einen Börsenwert von rund 3,5 Mia. US Dollar (Torcasso, 2019).

Zukunftsaussichten für flexible Büroarbeitsplätze

Laut Prognose von JLL werden bis ins Jahr 2025 die europäischen Bürostandorte einen durchschnittlichen Zuwachs von 25 bis 30% an flexiblen Flächen über die genannte Zeitspanne aufweisen. Dies entspricht nach fünf Jahren insgesamt zehn Millionen Quadratmeter. Sollte diese Prognose auch auf die Schweiz zutreffen, würde dies einem Zuwachs von 54`000 m2 in Zürich und 16`000 m2 in Genf bedeuten (Haimann, 2019).

Bis vor wenigen Jahren wurde der Zuwachs an flexiblen Flächen fast ausschliesslich in Metropolitan-Regionen realisiert. Wurden im Jahr 2017 noch die Hälfte aller Neueröffnungen in Grossstädten realisiert, waren dies im Jahre 2018 nur noch rund 30%. Hingegen konnten Klein- und Mittelstädte 51% der Neueröffnungen verbuchen. Selbst in Touristendestinationen wie Davos, Laax oder Zweisimmen gibt es ein Angebot an flexiblen Flächen (Haimann, 2019).

Laut Experten sind solche Prognosen jedoch immer mit Vorsicht zu geniessen. Denn der Coworking-Hype sei ein Kind des Konjunkturbooms der vergangenen Jahre. Mit einer fortschreitenden Abkühlung der Wirtschaft könnte sich dieser Trend schnell ändern. Unternehmen werden sich dann zweimal überlegen, ob sich die Anmietung von teuren, externen Arbeitsplätzen wirklich lohnt (Haimann, 2019).

Auch für Investoren stellen flexible Arbeitsplätze eine Herausforderung dar. Die Vermarktung von flexiblen Flächen ist aufwändig und personalintensiv. Als Folge daraus sind die Kosten für die Mitarbeiter in diesem Geschäftsfeld überdurchschnittlich hoch. Je nach Standort muss darum eine flexible Fläche zu mindestens 75 Prozent im Jahr vermietet sein, um überhaupt einen Gewinn erzielen zu können. Dies steht vor allem auch in einem gewissen Gegensatz zum Geschäftsmodell, welches einem potenziellen Nutzer jederzeit kurzfristig Bürofläche anbietet. Gemäss Thomas Beyerle, Chef-researcher der Beratungsgesellschaft Catella, dürfte dieses Marktsegment seinen Zenit bereits überschritten haben (Haimann, 2019). Was bedeutet, dass sich die Zunahme der Flächen abschwächen wird.

Abbildung 2: Büroangebote nach Flächengrösse in den Schweizer Grossstädten 2015 – 2018 (ungewichtete Durchschnitte Q4) (CBRE Schweiz (Büromarkttrends Schweiz 2019, online)

Fazit

Das Arbeitsumfeld verändert sich, die Komplexität der Aufgaben und der Druck auf die Unternehmen und deren Beschäftigten nimmt zu. Dies wiederspiegelt den tiefgreifenden Wandel in der Wirtschaft und Gesellschaft. So verändern sich auch stetig die Anforderungen an einen Arbeitsplatz, sowohl von Seite Arbeitgeber wie auch von Seite der Beschäftigten. Flexible Büroarbeitsplatz Konzepte versuchen diesen Anforderungen gerecht zu werden und sind darum seit einiger Zeit in den Fokus gerückt.

Viele Investoren sehen in diesem Segment eine lohnende Alternative zum kommerziellen Büromarkt. In jüngster Vergangenheit hat sich jedoch eine gewisse Ernüchterung eingestellt, da die Renditeaussichten durch hohe Investitionen gebremst werden und die Betriebs- und Personalkosten relativ hoch sind. Dies auch vor dem Hintergrund des geplatzten Börsengangs der Firma WeWork. Bisherige Arbeitsplatzkonzepte werden auf den Kopf gestellt und eine neue Ära auf dem Angebots- und Nutzermarkt ist zu erwarten. Die eingeschränkte Vergleichbarkeit von aktuell wenigen Daten und Zahlen lässt das Verhalten von Unternehmungen in Bezug auf die Arbeitsplatzgestaltung für die Zukunft offen. Auch im Zusammenhang mit der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung ist nicht voraussehbar, ob sich flexible Büroarbeitsplätze vollends etablieren können oder solche Konzepte eher ein Nischenmarkt bleiben.

Dieser Beitrag ist während eines Projektes der Studierenden des MAS Immobilienmanagement entstanden.

Wollen auch Sie nächstes Jahr dabei sein? 

Erfahren Sie mehr an einer unserer Infoveranstaltungen in Zürich und Rotkreuz.

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Entdecken Sie die Welt des Immobilienmanagements und erfahren Sie alles Wissenswerte rund um den MAS Immobilienmanagement und andere Angebote zum Thema Immobilien. Gerne beantworten Ihnen Prof. Dr. Markus Schmidiger und Prof. Dr. John Davidson vom IFZ Ihre Fragen.

Quellen:

Back, A., Josef, B., Sapegina, A., & Weibel, A. (2019). Coworking aus Unternehmenssicht II: Ouf of Office – into the Flow? Abgerufen am 14.07.2019.

Bai, C., Mansell, G., & Troni, E. (2019). European Coworking Hotspot Index. Cushman & Wakefield. Abgerufen am 20.07.2019.

Barkham, R., Levy, S. G., & Whelan, J. (2019). The Property Value Implications of Flexible Workspace. CBRE. Abgerufen am 24.08.2019.

Bernhard, M., Droxler, J., Ecker, J., Nenakhova, E., Pfändler, A., & Pferfferli, S. (2019). Büromarkt Schweiz 2019. JLL. Abgerufen am 19.08.2019.

Brucker, J. (2018) Schöne neue Arbeitswelt. Abgerufen am 02.09.2019.

Dalichow, A. (2018). Wie radikal krempeln WeWork & Co. den Büromakt um? Abgerufen am 30.09.2019.

Foertsch, C. (2019). Mehr als zwei Millionen Menschen arbeiten 2019 in Coworking Spaces. Abgerufen am 30.09.2019.

Foertsch, C. (2019) WeWork schadet 40% aller Coworking Spaces in der Umgebung, aber… Abgerufen am 30.09.2019.

Haimann, R. (2019). Nahe am Zenit. Immobilien Business, 5/2019, 32-35

Haimann, R. (2019). Marihuana und Billionen. Immobilien Business, 11/2019, 62-63

Harth, V., Keller, H., Mache, S., & Robelski, S. (2017) Psychosoziale Aspekte bei der Arbeit im Homeoffice und in Coworking Spaces. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2017, 52, 840-845. doi: 10.17147/ASU.2017-11-03-02

Hartmann, E. A., & Wischmann, S. (2018) Zukunft der Arbeit – Eine praxisnahe Betrachtung. Berlin: Springer Vieweg

Kiesel, B., & Miller, S. (2018). Wirtschaftlichkeit eines kommunalen Coworking Space. Verwaltung und Management, 24. Jg., Heft 4(2018), 203-212

Lindner, D. (2019) KMU im digitalen Wandel. Ergebnisse empirischer Studien zu Arbeit, Führung und Organisation. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Martel, A. (2019). WeWork: Das hochgejubelte Coworking-Startup kommt vor dem Börsengang auf den Boden zurück. Abgerufen am 10.09.2019.

Pöhner, R. (2019). Zwei Riesen wollen Europas Coworking-Branche aufmischen. Abgerufen am 30.09.2019.

Scarpa, J., & Schoch, D. (2019). Angebots- und Nachfragestrukturen in den Schweizer Grossstädten. Zusammenfassender Bericht. Büromarkttrends Schweiz 2019. CBRE. Abgerufen am 20.08.2019.

Thury, S., Venegas, B. C., & Worek, M. (2018) Committed or not? Das ist hier die Frage! Thesen zur Wechselwirkung zwischen Desk Sharing Umgebung und Commitment. Tagungsband des 12. Forschungsforum der österreichischen Fachhochschulen (FFH) 2018

Torcasso, D. (2019). IWG: Der WeWork-Konkurrent aus Zug. Abgerufen am 19.08.2019.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.