23. März 2020

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Wie nachhaltige Massnahmen Mieten und Kosten beeinflussen

Wie nachhaltige Massnahmen Mieten und Kosten beeinflussen

Die Art und Weise, wie und wo wir wohnen, hat einen grossen Einfluss auf unseren Land- und Ressourcenverbrauch. Für die Finanzierung effektiver Massnahmen, die Energieverbrauch und Emissionen reduzieren, spielen die Lage und die Vermietungssituation der Wohnungen eine entscheidende Rolle. Datenanalysen der Hochschule Luzern beleuchten diese Aspekte detailliert.

Von Christian Kraft und Constantin Kempf, Hochschule Luzern

Das laufende Forschungsprojekt «Nachhaltige Wohnungswirtschaft» der Hochschule Luzern analysiert die Wechselwirkungen von Ökologie, Lage, Finanzier- und Vermietbarkeit nachhaltiger Massnahmen im Mietwohnungsmarkt. In vorherigen Beiträgen wurde aufgezeigt, dass Mietwohnungen in diesem Kontext eine ganz besondere Rolle spielen: Sie sind die dominante Wohnform in Schweizer Städten. Dort lassen sich Umweltwirkungen lagebedingt reduzieren. Zudem sorgt die gute innerstädtische Vermietbarkeit für nachhaltige finanzielle Potenziale, die langfristig für zyklische Investitionen in erneuerbare Energien eingesetzt werden können (Der richtige Standortentscheid ist die halbe Miete).

Doch trotz ökonomischer Potenziale ist die innerstädtische Implementation erneuerbarer Energien im Bestand häufig schwierig. Der Unterschied zwischen Neu- und Umbau ist frappant. Unter 42‘000 Schweizer Wohnbauprojekten der Jahre 2010 bis 2018 sind vor allem die im Neubau sehr beliebte Geothermie und der Anschluss an Fernwärmesysteme im Bestand selten anzutreffen. Im Umbau kommen Gasheizungen interessanterweise recht häufig zum Einsatz. Während diese im Neubau heute vorwiegend als Back-up-Systeme erneuerbarer Technologien eingesetzt werden, dürften viele Gasheizungen im Umbau immer noch weitgehend als alleinige Heizsysteme fungieren.

Wirtschaftlichkeit vs. lokale technische Machbarkeit

Dass erneuerbare Energien im Bestand wirtschaftlich umgesetzt werden können, wenn langfristige Vermietbarkeit und eine «Core-Strategie» im Vordergrund stehen, ist unbestritten (Wirtschaftlichkeit konkreter Sanierungsmassnahmen). Kritisch ist jedoch erstens der Zeitpunkt der Sanierung. Denn Bedingung für die wirtschaftlich-finanzielle Nachhaltigkeit einer Immobilie ist, dass die umfassende Sanierung zum richtigen Zeitpunkt im Lebenszyklus mit Rücksicht auf die lokale Marktsituation erfolgt. Vorgezogene Sanierungen noch junger Häuser verursachen mit dem Ersatz funktionierender Systeme Wertverluste. Nötige Mietzinsanpassungen starten in diesen Fällen von bereits hohen Niveaus und gefährden die soziale Nachhaltigkeit (Perspektive Mieter) und die langfristige Vermietbarkeit (Perspektive Vermieter). Zweitens ist die aus allen Perspektiven sinnvollste Variante der Objektstrategie nicht immer machbar oder bewilligungsfähig.

Vier Thesen zur Wirkung nachhaltiger Massnahmen 

Neue Analysen nehmen die Wirkung nachhaltiger Ausprägungen Schweizer Wohnbauprojekte auf Kosten- und Mietzinsstrukturen genauer unter die Lupe. Mögliche kausale Zusammenhänge zwischen Nettomieten, Insertionsdauern, Baukosten und Nebenkosten und den verbauten Heiz- und Energiesystemen lassen sich mit Hilfe von Regressionsmodellen untersuchen. Vier Thesen können so überprüft werden.

These 1: Der Einsatz nachhaltiger Technologien erhöht die Erstellungskosten

Die erneuerbaren Energien zeigen im Vergleich zu Neubauprojekten, die keine energetischen Massnahmen angeben, höhere Baukosten: Geothermie +5,4%, Solarheizung +4,2%, Solarenergie +3,5% und Wärmepumpen +1,8%. Im Neubau gibt es zudem keinen signifikanten Kostenaufschlag für Holzbauprojekte. Bei Umbau- und Erweiterungsmassnahmen ist der Einbau nachhaltiger Technologien stark mit der Eingriffstiefe korreliert: Geothermie-Projekte fallen um 22 % teurer aus, Solarheizungen um 19 %. Der Aufschlag von 40 % bei Holzbauten im Umbau ist vor allem auf aufwendige Erweiterungen und Aufstockungen zurückzuführen.

These 2: Die höheren Kosten lassen sich über erhöhte Mieten decken

Statistisch sind nur wenige beobachtete Effekte der eingesetzten Technologien auf Nettomieten signifikant. Den um 5,4% höheren Kosten für Geothermie stehen um 3,6 % höhere Mieten gegenüber. Die Stichprobe der Mietzinsanalyse ist jedoch um ein Vielfaches kleiner, was einen direkten Vergleich erschwert. Der Holzbau zeigt bei Umbauten und Erweiterungen 3,6% höhere Nettomieten im Vergleich zu Projekten ohne diesen nachwachsenden Rohstoff.

These 3: Erneuerbare Energien reduzieren die Nebenkosten

Die Analyse zeigt, dass Wärmepumpen im Schnitt -2,6%, Fernwärme -4,8% und Solarenergie -5,1% tiefere Nebenkosten ausweisen. Bei Umbau- und Erweiterungsmassnahmen nehmen die Nebenkostenabschläge der erneuerbaren Technologien noch weiter zu. Öl- und Gasheizungen lösen sowohl im Neubau als auch im Umbau / Erweiterung höhere Nebenkosten aus. Die Ölheizung zeigt bei Neubauprojekten +21,5 % höhere Nebenkosten im Vergleich zu Projekten, die keine energetischen Massnahmen ausweisen. Danach folgt die Gasheizung mit +6,1%.

These 4: Die Vermarktungszeit von Wohnungen in nachhaltigen Projekten ist kürzer

Diese These lässt sich anhand der vorliegenden Daten weder bestätigen noch widerlegen. Keine der Technologien zeigt statistisch signifikante Assoziationen mit der Dauer der inserierten Wohnungen. Es ist daher anzunehmen, dass die Wahl der Heiz- und Energietechnologie in unserem Datensatz keinen Effekt auf die Vermarktungsdauer von Mietwohnungen hat. Einzig Umbauten und Erweiterungen mit Holz zeigen statistisch (schwach) signifikant längere Insertionsdauern als solche ohne Holz.

Fazit: Geringe Mietzins-, jedoch hohe Kostenimplikationen

Der Einfluss von Projekteigenschaften auf Mieten und Vermarktungszeiten ist, zumindest auf dieser groben Stufe, kaum erkennbar. Standorte und lokale Märkte sind die zentralen erklärenden Faktoren. Im Neubau sind Technologien mit erneuerbaren Energien zudem zum Standard geworden.

Abbildung 1: Kostenanalyse (Hochschule Luzern; detaillierte Regressionsergebnisse auf Anfrage)

Anders gestaltet sich die Situation auf Kostenebene (Abbildung). Im Neubau zeigen Heizungstypen mit erneuerbaren Energien einen Kostenzuschlag von 2 bis 5%. Projekte, die fossile Energieträger zur Wärmegewinnung nutzen, lassen sich um 5 bis 8% günstiger erstellen. Wer auf schnelle Gewinne aus ist, kann sich somit im Neubau kurzfristige Kostenvorteile verschaffen. Dies jedoch mit langfristig hohen Vermietungs- und Regulierungsrisiken. Nicht nur, weil Verbote drohen oder das ökologische Gewissen von Mietern zu Leerstandrisiken führt. Sondern auch, weil diesen Kosteinsparungen hohe Nebenkosten von 5 bis 20% für Mieter gegenüberstehen. Wertsichernd ist diese Strategie also nicht.

Im Bereich Umbau und Erweiterung sind die Kostenzuschläge markant. Doch hier ist Vorsicht bei der Interpretation geboten: Die gemessenen Zuschläge gelten im Vergleich zu Sanierungen ohne Heizungsersatz oder ohne Angaben zum Heizsystem. Die Zuschläge signalisieren damit die Eingriffstiefe gegenüber leichten Sanierungen. Die Kostenaufschläge liegen zwischen 20 und 70%. Besonders teuer fallen Sanierungen aus, bei denen es zu einem Anschluss an Fernwärmesysteme kommt. Mieter profitieren von dieser Massnahme jedoch mit einer Senkung der Nebenkosten um 12%. Ungünstig ist die Kostensituation beim Heizungsersatz mit Gasheizungen. Zwar halten sich die Mehrkosten gegenüber leichten Sanierungen mit 29% vergleichsweise in Grenzen. Doch Mieter müssen im Vergleich auch mit 5% höheren Nebenkosten leben.

Für weitere Informationen verweisen wir auf den vollständigen Artikel, welcher im Baublatt erschienen ist. Inhaltlich und methodisch steht die Forschung bei diesen Fragen am Anfang. Die georeferenzierten Informationen der Baueingaben ermöglichen eine grobe, aber flächendeckende räumliche Einordnung von Projektcharakteristiken. Wir danken Fahrländer Partner Raumentwicklung und Docu Media Schweiz für die datentechnische Unterstützung. Der Fokus des Projektes «Nachhaltige Wohnwirtschaft» wird sich diesen Fragestellungen weiter widmen und den Fokus als nächstes gemeinsam mit Projektpartnern stärker auf die Perspektive der Mieter lenken.

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