24. Februar 2020

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Wirtschaftlich rentabel, ökologisch nachhaltig und sozial verträglich mit dem Drei-Dimensionen-Konzept

Wirtschaftlich rentabel, ökologisch nachhaltig und sozial verträglich mit dem Drei-Dimensionen-Konzept

Von der Immobilienbranche wird „Nachhaltigkeit“ gefordert. Gebäude sollen nicht nur wirtschaftlich nachhaltig sein, sondern auch in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft. Die drei Dimensionen zu balancieren erscheint wie die Quadratur des Kreises. Die Schweizer Klimapolitik reagiert auf Ebene Bund und Kantone mit Abgaben, Programmen und Vorschriften. Die Branche sucht nach Wegen, die drei Dimensionen unter einen Hut zu bringen. Mehr und mehr zeigt sich, dass ökologisch und sozial nachhaltige Gebäude auch langfristig bessere Renditen abwerfen.

Jlljana Heussi; Zafer Köroglu

Immobilien haben einen hohen Einfluss auf die Umwelt. Von den gesamten Treibhausgasemissionen in der Schweiz werden 32% durch den Verkehr (ohne Flugverkehr), 26% durch Gebäude, 23% durch die Industrie und 19% durch die Landwirtschaft und Abfallbehandlung sowie den Ausstoss von synthetischen Gasen verursacht. Rund ein Viertel der gesamten Treibhausemissionen in der Schweiz werden also durch den Gebäudepark verursacht. Die Entwicklung des Ausstosses läuft nicht in allen Sektoren gleich. Die Emissionen aus dem Verkehr gehen seit wenigen Jahren leicht zurück, lagen im Jahr 2017 aber immer noch 1% über dem Niveau von 1990. Die Treibhausgasemissionen in den Sektoren Gebäude und Industrie konnten hingegen um 26% bzw. 18% gegenüber 1990 gesenkt werden (Bundesamt für Umwelt (a), online). Bis im Jahr 2020 sollen die CO2-Emissionen von Gebäuden um mindestens 40% gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. Das Zwischenziel von minus 22% bis im Jahr 2015 wurde übertroffen (Bundesamt für Umwelt (b), online). Langfristig soll der Gebäudepark frei von CO2 werden und ab dem Jahr 2050 sollen in der Schweiz unter dem Strich gar keine Treibhausgasemissionen mehr ausgestossen werden (Das Portal der Schweizer Regierung, online).

(Bundesamt für Umwelt (a), online)

Abgaben, Programme und Vorschriften

Hinsichtlich des grossen Reduktionspotenzials und der wichtigen Rolle in der Schweizer Klimapolitik greifen bei Gebäuden gleich mehrere klimapolitische Instrumente:

CO2-Abgabe: Seit dem Jahr 2008 wird die CO2-Abgabe erhoben. Sie ist eine Lenkungsabgabe und wird auf fossilen Brennstoffen wie Erdgas oder Heizöl erhoben. So werden fossile Brennstoffe versteuert und somit ein Anreiz zum sparsamen Verbrauch und vermehrten Einsatz CO2-neutraler oder CO2-armer Energieträger gesetzt (Bundesamt für Umwelt (c), online).

Gebäudeprogramm: Ein Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe wird seit dem Jahr 2010 für das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen eingesetzt. Das Programm fördert Investitionen in erneuerbare Energien, Sanierungen an der Gebäudehülle, die Gebäudetechnik und die Abwärmenutzung sowie Geothermie-Projekte (Bundesamt für Umwelt (b), online).

Kantonale Gebäudevorschriften: Die Kantone leisten einen wichtigen Beitrag. Sie sind gemäss CO2-Gesetz verpflichtet, die Standards für Neu- und Altbauten so zu definieren, dass die CO2-Emissionen laufend sinken (Bundesamt für Umwelt (b), online).

Labels zu nachhaltigen Gebäuden

Grundsätzlich muss in der Schweiz, wenn nicht anders verlangt, nach kantonalen Baugesetzen, basierend auf den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich und dem Stand der Technik (SIA, SWKI), gebaut werden. Da die Schweiz als Mitglied des Europäischen Komitees für Normung vereinbart hat, EN-Normen als nationale Normen umzusetzen, müssen gezwungenermassen auch diese Normen berücksichtigt werden. Gebäudelabels und Standards sind im Gegensatz freiwillig und verlangen je nachdem zusätzliche Massnahmen in Bezug auf das Gebäude und den Standort. Werden diese erfüllt, wird das Gebäude entsprechend zertifiziert. Die Beweggründe für einen Label-Antrag können vielfältig sein: Eine bessere Vermietbarkeit, eine Vorbildfunktion, das Label als Kommunikationsinstrument, bessere Hypothekar-Konditionen, ein höherer Wert der Immobilien bei geringer Mehrinvestition oder die Vergleichbarkeit der Immobilien, wichtig z. B. bei Immobilienfonds (suissetec, 2016, online).

In der Schweiz kommen verschiedene Labels aus dem In- und Ausland zur Anwendung. Folgend werden die wichtigsten Zertifizierungen kurz vorgestellt:

Minergie (-P/-A): Minergie-(-P/-A)-Standards sind freiwillige Baustandards für Niedrigenergiehäuser (Minergie), Passivhäuser (Minergie-P) und Plusenergiegebäude (Minergie-A), die den sparsamen Einsatz von Energie und die Nutzung erneuerbarer Energien bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität und Senkung der Umweltbelastung fördern. Diese Methode betrachtet das ganze Gebäude als integrales System aus Gebäudehülle und Gebäudetechnik. Weiter stellt das Label Anforderungen an die graue Energie eines Gebäudes (Amstein Walthert, 2016, online).

Minergie (-P/-A) Eco: Das System Eco bildet einen zusätzlichen Zertifizierungsteil, der von oben genannten Gebäuden angestrebt werden kann. Der Teil „Eco“ bezieht sich auf ökologische und gesundheitliche Aspekte, wie Tageslicht, Schallschutz, Innenraumklima sowie das Gebäudekonzept, Materialien und die Bauprozesse (Amstein Walthert, 2016, online).

Geak: Der Gebäudeenergieausweis der Kantone, kurz Geak ist ein schweizweit einheitliches Dokument, das Auskunft darüber gibt, wie effizient die Gebäudehülle ist und wie viel Energie ein Gebäude bei seiner Standardnutzung benötigt. Der ermittelte Energiebedarf wird Klassen zugeordnet. So erhalten Eigentümer, aber auch andere Anspruchsgruppen einer Immobilie eine verlässliche Beurteilung des energetischen Zustands und der Effizienz eines Gebäudes (Amstein Walthert, 2016, online).

Gutes Innenraumklima: Das Schweizer Label „Gutes Innenraumklima“ bewertet die Innenraumluftqualität von Neubauten oder sanierten Bestandsgebäuden. Zu diesem Zweck definiert es detaillierte Anforderungen an das Innenraumklima, an die zugelassenen Prüfstellen sowie die Organisation und Durchführung der Raumluftmessungen (Amstein Walthert, 2016, online).

Breeam: Die ursprünglich britische Building Research Establishment Environmental Assessment Method, Breeam ist das weltweit erste Nachhaltigkeitszertifizierungssystem für Gebäude und lässt sich auf die vorherrschenden Klimabedingungen des Gebäudestandorts anpassen. Breeam wird momentan in weltweit 77 Ländern angewandt und besitzt in Europa einen Marktanteil von rund 80 Prozent (Amstein Walthert, 2016, online).

Leed: Das ursprünglich amerikanische Leadership in Energy and Environmental Design, Leed ist ein international anerkannter Green-Building-Zertifizierungsstandard, der eine hochwertige, ökologische Bauweise für gesündere, umweltfreundlichere und profitablere Gebäude definiert (Amstein Walthert, 2016, online).

DGNB: Das in der Schweiz adaptierte Label der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB betrachtet neben ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Nachhaltigkeitsaspekten eines Gebäudes zusätzlich technische, prozessorientierte und standortspezifische Aspekte. Das DGNB-System kann Neubauten wie auch Bestandsgebäude und Quartiere zertifizieren. Es verfügt über eine grosse Anzahl von Nutzungsprofilen, welche durch die Schweizer Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft laufend an die Verhältnisse der Planungs- und Bautradition angepasst werden (Amstein Walthert, 2016, online).

SNBS: Das Ziel des Standards nachhaltiges Bauen Schweiz, SNBS ist es, alle drei Dimensionen des nachhaltigen Bauens (Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt) gleichermassen in Planung, Bau und Betrieb einzubeziehen und so den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie abzudecken. Auf Basis der Strategie für nachhaltige Entwicklung des Bundes werden in diesem Standard die relevanten Ziele der Nachhaltigkeit von Immobilien festgelegt und mittels geeigneter Kriterien beschrieben (Amstein Walthert, 2016, online).

Drei-Dimensionen-Konzept

Der Bund richtet sich in seinem Nachhaltigkeitsverständnis an die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission). 1987 definierte die Kommission in ihrem Bericht «Our Common Future» eine nachhaltige Entwicklung «als eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können» (Bundesamt für Raumentwicklung (a), online).

Auf Bundesebene stellt man das Nachhaltigkeitsverständnis im Drei-Dimensionen-Konzept mit den Zieldimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft, der Zeit-Dimension und der Nord/Süd-Dimension dar. Das Konzept soll eine ganzheitliche Betrachtung von Nachhaltigkeit gewährleisten. Privatwirtschaft, Privatpersonen und auch die öffentliche Hand sollen so in einem gemeinsamen Umfeld funktionieren (Bundesamt für Raumentwicklung (b), online).

Die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Prozesse sind miteinander vernetzt. Das Handeln öffentlicher wie auch privater Akteure darf nicht unabhängig und einseitig erfolgen, sondern muss wechselwirksam zwischen den drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft geschehen. Auch die gegenseitige, globale Abhängigkeit muss berücksichtigt werden (Nord/Süd-Aspekt). Der heutige Lebensstil in den Industrieländern, zunehmend aber auch in den Schwellenländern, kann nicht weltweit gelebt werden. Von einer nachhaltigen Entwicklung soll insbesondere auch der grosse Teil der Menschheit profitieren, der in bitterer Armut und unter menschenunwürdigen Bedingungen lebt (Bundesamt für Raumentwicklung (b), online).

Wirtschaftlich rentabel, ökologisch nachhaltig und sozial verträglich?

Die Kombination aus wirtschaftlich rentabel, ökologisch nachhaltig und sozial verträglich scheint schier unmöglich zu sein. Zwei Faktoren lassen sich meist noch einfach vereinbaren, aber bei drei Faktoren trifft man sehr wahrscheinlich auf Schwierigkeiten. «Sanierungen – 3 Gewinner» lautet eine Antwort auf diese schwer zu lösende Aufgabe. BS2 Building Systems & Solutions und Wüest Partner AG erarbeiten im Auftrag von EnergieSchweiz (Bundesamt für Energie) gemeinsam ein Forschungsprojekt, von dem Investoren, Bewohner und das Klima profitieren sollen (aus internen, nicht veröffentlichten Unterlagen von Wüest Partner im Auftrag EnergieSchweiz (BFE)). Das Forschungsprojekt sieht vor, energetische Sanierungen von Renditeliegenschaft so zu gestalten, dass im Idealfall alle drei involvierten Parteien profitieren:

  • Die Umwelt, wenn dank einer effizienten Sanierung ein Gebäude umweltschonender betrieben werden kann.
  • Die Eigentümer, wenn der Marktwert steigt.
  • Die Mieter, wenn Dank der Sanierung die Nebenkosten so tief sinken, dass die Erhöhung der Miete damit kompensiert wird.

Die Wüest Partner AG und BS2 durften in einem Mandatsverhältnis für den Eigentümer eines Mehrfamilienhauses im Kanton Schaffhausen eine Sanierung durchrechnen. Dabei soll der Idealfall eintreten: Der CO2-Ausstoss des Gebäudes wird gesenkt, die Eigentümerin steigert den Marktwert und für die Mieter resultieren aufgrund der sinkenden Nebenkosten tiefere Wohnkosten. Die Sanierung beinhaltet unter anderem den Ersatz einer fossilen Heizung durch eine Wärmepumpe, wobei der zusätzliche Strombedarf durch eine subventionierte Hybrid-Kollektoranlage (Strom & Wärme) gedeckt wird. Zudem soll der Dachstock und Keller ohne Aussenwände saniert werden. Dies entspricht dem Prinzip «80% Ertrag bei 20% Aufwand». Damit rücken ältere Liegenschaften mit Wohnnutzung und mit hohen Nebenkosten in den Fokus, welche sich in strukturschwachen Regionen befinden, wo die Überwälzung der wertvermehrenden Investitionen problematisch ist. Diese Liegenschaften emittieren besonders viele Treibhausgase und werden bisher eher unterdurchschnittlich oft saniert (aus internen, nicht veröffentlichten Unterlagen von Wüest Partner im Auftrag EnergieSchweiz (BFE)).

Es steht viel auf dem Spiel

Die Immobilienbranche hat die Zeichen der Zeit erkannt und steuert um. Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Neben gesetzlichen Vorgaben sind auch die Erwartungen der Investoren und Nutzer gestiegen. Vor allem in Europa beziehen Immobilienanleger zunehmend ethische, ökologische und soziale Kriterien in den Anlageentscheid mit ein. Investiert man zu Beginn des Lebenszyklus einer Immobilie in deren Nachhaltigkeit, so sinken die Kosten für eine Modernisierung oder Neupositionierung. Aufgrund der hohen Marktfähigkeit von nachhaltigen Immobilien sinkt das Risiko der Vermietbarkeit und lässt den Mietzins ansteigen. Die optimierten Energiekosten relativieren die höheren Mietpreise durch tiefere Nebenkosten. Das bessere Betongold verspricht stabile, hohe Renditen und langfristigen Erfolg am Immobilienmarkt (Patrizia, 2018, online).

Dieser Beitrag ist während eines Projektes der Studierenden des MAS Immobilienmanagement entstanden.

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Quellen:

Amstein Walthert (2016). Gebäudelabels in der Schweiz: eine Übersicht. Abgerufen am 12.12.2019 von https://www.amstein-walthert.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/News/Labels_2_applica_Sonderausgabe_2016_definitiv.pdf

Bundesamt für Umwelt (a). Klima: Das wichtigste in Kürze. Abgerufen am 03.12.2019 von https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/inkuerze.html#-1439031040

Bundesamt für Umwelt (b). Gebäude. Abgerufen am 02.12.2019 von https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klimapolitik/gebaeude.html

Bundesamt für Umwelt (c). CO2-Abgabe. Abgerufen am 02.12.2019 von https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klimapolitik/co2-abgabe.html

Bundesamt für Raumentwicklung (a). Nachhaltigkeitsverständnis in der Schweiz. Abgerufen am 14.12.2019 von https://www.are.admin.ch/are/de/home/nachhaltige-entwicklung/politik-und-strategie/nachhaltigkeitsverstaendnis-in-der-schweiz.html

Bundesamt für Raumentwicklung (b). Drei-Dimensionen-Konzept. Abgerufen am 14.12.2019 von https://www.are.admin.ch/are/de/home/nachhaltige-entwicklung/politik-und-strategie/nachhaltigkeitsverstaendnis-in-der-schweiz/drei-dimensionen-konzept.html

Das Portal der Schweizer Regierung. Bundesrat will bis 2050 eine klimaneutrale Schweiz. Abgerufen am 09.12.2019 von https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-76206.html

Helles Köpfchen (2011). Lexikon: Nachhaltigkeit. Abgerufen am 04.12.2019 von https://www.helles-koepfchen.de/artikel/3053.html

Patrizia (2018). Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche: Verantwortlich Investieren zahlt sich aus. Abgerufen am 15.12.2019 von https://www.patrizia.ag/de/detail/trends-and-more/nachhaltigkeit-in-der-immobilienbranche-verantwortlich-investieren-zahlt-sich-aus/

suissetec (2016). Gebäudelabels und Standards von Bedeutung im Schweizer Markt. Abgerufen am 08.12.2019 von https://suissetec.ch/files/PDFs/Merkblaetter/Alle%20Branchen/Deutsch/2016_MB_Gebaeudelabels_Standards.pdf

(Interne, nicht veröffentlichte Unterlagen von Wüest Partner im Auftrag EnergieSchweiz (BFE))

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