3. Februar 2020

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Blockchain: Wird die Immobilienbranche revolutioniert?

Blockchain: Wird die Immobilienbranche revolutioniert?

Entlang der gesamten Immobilienwertschöpfungskette bestehen vielfältige Möglichkeiten, die Zukunft der Immobilienwirtschaft markant zu beeinflussen. Innerhalb der Immobilienbranche ist das Wissen jedoch sehr ungleich verteilt. Während viele Unternehmen das Thema Digitalisierung auf strategischer Ebene verfolgen, gehen andere einen Schritt weiter indem sie Prozesse mit der Blockchain transparent und effizient verbessern. Der nachfolgende Beitrag informiert über die Funktionsweise der Blockchain, über Einsatzmöglichkeiten und Hürden bei der Einführung sowie über die aktuelle Akzeptanz in der Immobilienbranche.

Vanja Rosa; Richard Otto

Funktionsweise der Blockchain

Einfach gesagt, handelt es sich bei der Blockchain-Technologie um eine neue Form eines digitalen Kassenbuches. Bislang war es unmöglich in der digitalen Welt ohne offizielle Dienststellen die Eindeutigkeit bzgl. Existenz und Eigentümerschaft einer Information zu garantieren. Standardmäßig werden heute weltweit Informationen bzw. Daten jeweils auf einem zentralen Server gespeichert, welcher die Daten entsprechend prüft und validiert. Dies verhindert, dass Geld beispielsweise einfach verdoppelt werden kann. Die Blockchain ermöglicht diese Eindeutigkeit und Existenzsicherung in einem dezentralen Netzwerk von anonymen Teilnehmern ohne eine Dienststelle dazwischen. Diese Technologie bezeichnet man auch als “distributed ledger technology“ (DLT) und garantiert manipulationssichere Daten, sichere Wertübertragung und Rückverfolgbarkeit.

Abb. 1: Information wird durch gesamtes Netzwerk geprüft und validiert (eigene Darstellung)

Nehmen wir beispielsweise an, eine Person A wolle der Person B Geld überweisen. Mit der digitalen Signatur von Person A und der öffentlichen Adresse von Person B wird die eingegebene Transaktion als Information in das Blockchain-Netzwerk eingegeben. Der schnellste Server im Netzwerk übernimmt diese Transaktion zusammen mit anderen Transaktionen und bündelt daraus einen sogenannten Block. Dieser Block wird dann an sämtliche Server zur Prüfung und Validierung versendet. Wurde die Transaktion von allen Servern bestätigt, wird der Block als neues Kettenglied an die bestehende Blockkette (Blockchain) gehängt. Dadurch wird die Transaktion abgeschlossen und kann nicht mehr verändert werden. Die Information, dass Person A Geld an Person B überwiesen hat, ist nun im gesamten Netzwerk identisch gespeichert.

Die heute wohl bekannteste Anwendung der Blockchain ist die digitale Währung Bitcoin. Wir möchten in diesem Blog die Sicht jedoch auf konkrete Anwendungen in der Immobilienbranche richten.

Energieversorgung mit Blockchain

Es gibt heute weltweit Pilotprojekte zu Mikrostromnetzen, in welchen Hauseigentümer ihren durch Solarpanels überschüssig produzierten Strom umliegenden Nachbarn verkaufen können. Etwas grösser gedacht, könnte mit der Blockchain-Technologie ein dezentrales Verteilnetz dieses grünen Stroms für den freien Handel aufgebaut werden. Das Netzwerk könnte von den privaten Stromproduktionen geografisch auf Stufe Gemeinden, Kantone oder sogar auf die ganze Schweiz ausgeweitet werden. Durch den Einsatz einer Blockchain wäre der daraus entstehende Handel des Stromes effizient, seriös, ehrlich und transparent.

Immobilien als digitales Asset

Heute werden die Eigentumsverhältnisse an einer Immobilie mittels Verträge in Papierform im Grundbuch abgebildet. Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse kann nur durch eine öffentliche Beurkundung durchgeführt werden. Die Blockchain würde die Möglichkeit bieten, dass eine Immobilie als digitales Asset oder auch Token genannt, erfasst werden könnte. Der zugrunde liegende reale Vermögenswert kann per Mausklick verkauft oder gekauft werden. Dies führt zu einer flexiblen und schnellen digitalen Transaktion, welche jederzeit vollständig transparent und rückverfolgbar ist und die heute hohen Transaktionsgebühren werden dadurch enorm reduziert.

Effizienz und Transparenz durch Smart Contracts

Über die Blockchain können Prozesse, bei welchen die Werteflüsse durch feste Parameter definiert sind, vollständig automatisiert werden. Als Beispiel können einzelne Transaktionen mit Dienstleister durch Smart Contracts geregelt werden. Die Auftragnehmer benützen ihre eigene ID im digitalen System und können ihren Arbeitserfolg bestätigen. Das System benachrichtigt selbstständig den Auftraggeber. Dieser bestätigt die Erfüllung, worauf alle Parameter im Smart Contract erfüllt sind und eine automatische Zahlung an den Dienstleister erfolgt. Sollten Mängel auftreten, wird die Nachbesserung gefordert und die Zahlung bleibt aus. Bei komplexeren Prozessen oder Projekten ist somit der Stand der ausgeführten Arbeiten zu jeder Zeit für alle abrufbar. Zudem kann sichergestellt werden, dass vordefinierte Reihenfolgen eingehalten werden. Insbesondere im Bau nach BIM wäre die Blockchain Technologie eine optimale Erweiterung, da sämtliche Aktionen und Zustände korrekt in einem eindeutigen Modell hinterlegt sein müssen und die Abläufe durch Smart Contracts automatisiert gesteuert werden könnten. Dies verspricht eine schnellere, kosteneffizientere und transparentere Planungs- und Bauphase.

Aktuelle Hürden

Meist stehen solche neuen disruptiven Technologien vor einigen Herausforderungen, was bei der Blockchain nicht anders ist. Eine der größten Hürden ist die notwendige hohe Rechenleistung und der damit benötigte Energiebedarf.

Gemäß einer Studie der Technischen Universität München produziere das Netzwerk, welches die Währung Bitcoin sicherstellt, jährlich über 22 Millionen Tonnen CO2 Ausstoß [Mayer, 2019].

Nebst diesen ökologischen Hürden muss der Einsatz einer Blockchain aber auch wirtschaftlich als gewinnbringend bestätigt werden. Die gesetzlichen Vorgaben müssen entsprechend eingehalten oder angepasst werden. Als Herausforderungen gelten heute größtenteils die noch fehlenden Erfolge, die noch nicht identifizierten oder ausgereiften Geschäftsmodelle, die hohen Kosten, das fehlende Vertrauen sowie die juristischen Hürden.

Die Schweiz ist grundsätzlich ein guter Ort, um die Blockchain-Technologie gewinnbringend zu implementieren. Die Regierung ist den technologischen Veränderungen gegenüber positiv eingestellt und wirkt unterstützend. So wurde beispielsweise die Markteintrittshürde für Blockchain basierte Unternehmen durch die neuen Fintech-Regeln des Bundesrates 2017 verringert [Schweizerische Eidgenossenschaft].

Blockchain – Rückmeldungen aus der Immobilienbranche

Die oben aufgeführten Beispiele zeigen, dass die Blockchain die Immobilienbranche ordentlich durchschütteln kann und wahrscheinlich auch wird. Bislang spürt oder sieht man dies jedoch nur in der Theorie oder in Pilotprojekten. Verspricht man sich also zu viel von der Blockchain?
Wir haben uns mit vier Fragen über persönliche Mails oder Kurzinterviews an die Immobilienbranche gewendet und dabei mehr als 50 Rückmeldungen aus dem privaten und öffentlichen Sektor erhalten. Die nun folgenden konsolidierten Ergebnisse sollen uns zeigen, welchen Weg diese Technologie aus heutiger Sicht der Fachleute der Immobilienwelt nehmen wird.

  1. Wird sich die Blockchain Technologie langfristig in der Immobilienbranche etablieren oder handelt es sich um einen temporären Hype?

Knapp ein Drittel der Befragten konnte aufgrund mangelnden Wissens keine Antworten geben. Dies zeigt klar, dass das Knowhow zu dieser Technologie noch zu wenig verbreitet ist.

Mehr als ein Drittel der Befragten ist fest davon überzeugt, dass sich die Blockchain Technologie etablieren wird und somit ein ernst zu nehmender Trend ist. Interessant ist, dass die Meinungen stark auseinandergehen. Wer nicht vom absoluten Durchbruch überzeugt ist, geht klar von einem wieder verschwindenden Hype aus. Als Argument für einen Hype ist die die Trägheit der Branche und deren viele ungelösten Probleme genannt worden, welche sich auch durch Blockchain nicht lösen ließen. Weiter sei auch das Vertrauen in das Schweizer Grundbuch und andere zentralisierte Ansätze sowie Firmen zu hoch, als dass sich eine komplexe dezentrale Infrastruktur durchsetzen werde. Es gab sogar Meinungen, dass sich die Blockchain durchsetzen werde, nur nicht in der Immobilienbranche. Auch das Thema Sicherheit wurde mehrmals erwähnt, obschon eine Blockchain bis heute noch nie gehackt wurde.

  1. Wie lange wird es dauern, bis sich die Technologie Blockchain flächendeckend in der Immobilienbranche etabliert hat?

Ausgehend von den 18 Befragten, welche sich in der ersten Frage für eine Etablierung aussprachen, spalten sich auch hier die Meinungen. Die eine Hälfte geht von einer Etablierung in den kommenden 5 bis 10 Jahren aus, die andere Hälfte schätzt im allerbesten Fall 10 Jahre, wobei nach oben alles möglich sei.

  1. Wo sehen Sie einen vielversprechenden Einsatz der Blockchain bzgl. Real Estate?

Außer dem knappen Drittel ohne Kenntnisse zur Blockchain wird dieser Technologie viel zugetraut. Diese Meinung vertreten auch jene, die nicht an den flächendeckenden Durchbruch glauben. Das heißt, zwei Drittel der Befragten sehen mindestens eine sinnvolle Anwendungsmöglichkeit der Blockchain. Am meisten wurde dabei der Einsatz bei Transaktionen und Dokumentationen – insbesondere beim Grundbuchamt und Smart Contracts – erwähnt. Dort wo wir die Umfrage über ein persönliches Gespräch geführt haben, zeigte sich jedoch, dass nur wenige wussten, was Smart Contracts sind. Etwas weniger häufig wurde die Tokenisierung von Immobilien beschrieben, wobei in diesen Antworten bereits vertieftere Vorteile beschrieben wurden.

  1. Wo sehen Sie aktuell den grössten Feind der Blockchain-Technologie?

Die Antworten auf diese Frage waren äußerst kreativ und ideenreich. Am meisten wurden die großen juristischen Hürden sowie die fehlenden marktfähigen Anwendungen genannt. Danach folgte direkt die Trägheit und Innovationsresistenz der Branche. Auch das große Misstrauen kombiniert mit dem fehlenden Wissen scheinen eine noch große Hürde zu sein.

Die Zukunft der Blockchain

Aus unseren Nachforschungen sowie unserem Umfrageergebnis folgern wir, dass das Wissen zur Technologie Blockchain noch viel zu gering ist. Es wird von vielen noch nicht erkannt, dass es sich hierbei um eine Technologie und nicht um eine Software handelt. Das Potenzial ist zwar vorhanden, doch müssen dazu erst marktfähige Anwendungsbeispiele bzw. Geschäftsmodelle abgeleitet und entwickelt werden. Es gibt nach wie vor einen großen Teil von Skeptikern, welche ein fundiertes Vertrauen in die bisherigen Abläufe und zentralen Dienststellen haben. Weiter sind viele Unternehmungen bereits mit der Digitalisierung als Megatrend überfordert und müssen zuerst ihre Hausaufgaben zu den Grundlagen erledigen, bevor sich eine Implementierung dieser Technologie lohnen würde. Konkret bedeutet das, dass wenn die Verträge heute immer noch in einem Papierordner abgelegt werden, auch eine Blockchain nicht viel bewirken kann. Die Technologie an sich wäre bereit. Es benötigt nun von den „Big Player“ Anwendungsbeispiele mit gutem Kosten-Nutzen Verhältnis, dass selbst die Skeptiker aufsteigen wollen. Der zeitliche Horizont bis zur flächendeckenden Etablierung hängt auch von nicht beeinflussbaren Faktoren wie der Legislatur ab und ist deshalb nur schwer abzustecken. Die Technologie Blockchain ist definitiv ein ernstzunehmender Trend und wird sich durch optimierte Prozesse und neue Geschäftsmodelle in der Immobilienbranche verankern.

Dieser Beitrag ist während eines Projektes der Studierenden des MAS Immobilienmanagement entstanden.

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Quellen:

Adesso. Wie funktioniert eine Blockchain?.
Abgerufen am 29.06.2019 von https://www.adesso.de/de/news/blog/wie-funktioniert-eine-blockchain.jsp

Baum, A. PropTech 3.0: the future of real estate. University of Oxford.
Abgerufen am 30.06.2019 von https://www.sbs.ox.ac.uk/sites/default/files/2018-07/PropTech3.0.pdf

in. Value: «Blockchain Revolution findet nicht statt» – Kritik an Axa https://be.invalue.de/d/publikationen/vwheute/2019/02/06/blockchain-revolution-findet-nicht-statt-kritik-an-axa.html

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Mayer, M. (2019, 13. Juni). Bitcoin Kritik! Energieverbrauch, Stromverbrauch, Umweltzerstörung, Klimawandel, Betrug, Verluste & Gier. Bund Regionalverband Südlicher Oberhein. Abgerufen am 06.2019 von http://www.bund-rvso.de/bitcoin-strom-energie-verbrauch-umwelt-gier.html

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Abgerufen 30.06.2019 von https://www.technologiestiftung-berlin.de/fileadmin/daten/media/publikationen/170130_BlockchainStudie.pdf

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