27. Januar 2020

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Mikroapartments: die smarte und flexible Wohnform der Zukunft

Mikroapartments: die smarte und flexible Wohnform der Zukunft

Wo freier Wohnraum immer rarer und die Mieten immer teurer werden – so wie beispielsweise in den Städten – könnten neue platzsparende Wohnformen eine nachhaltige Entspannung bringen.[1] Der Ruf nach bezahlbarem und zugänglichem Wohnraum in den Zentren wird lauter.[2] Smarte Wohnkonzepte auf reduzierter Wohnfläche zu erschwinglichen Mieten sind gefragt. Mikroapartments sind international im Trend: jetzt kommen sie auch in die Schweiz.[3]

Marc Löhle; Martin Nussbaumer

Im Jahr 2018 lebten über 84 % der Schweizer Bevölkerung in städtischen Gebieten, dort wo sich Arbeit, Einkaufen, Freizeit konzentriert und das soziale Leben stattfindet.[4] Der urbane Sog verdichtet die verschiedenen Bedürfnisse auf immer enger werdendem Raum. In den Zentren sind die Bodenflächen knapp und die Mieten werden stetig teurer.[5]

Der Einpersonenhaushalt ist mittlerweile der häufigste Haushaltstyp sowie die grösste Wachstumsgruppe.[6] Für diese steht tendenziell zu wenig Wohnraum zur Verfügung. Geht man davon aus, dass eine einzelne Person grundsätzlich in einer Ein- oder Zweizimmerwohnung leben könnte, so übersteigt die Nachfrage nach diesen beiden Wohnungstypen bei weitem das Angebot. Von den rund 3.8 Mio. Privathaushalten in der Schweiz sind rund 1.3 Mio. Einpersonenhaushalte.[7] Dem gegenüber stehen nicht einmal 1 Mio. Ein- oder Zweizimmerwohnungen.[8]

Abbildung 1: Mikro-Appartement mit verschiebbaren Möbeln von MOVEment Systems AG, MOVEment Systems AG

All-in-One: zum Wohnen reichen 30 m2

Ein Mikroapartment ist eine minimalistische Wohnform, für die es keine einheitliche Definition gibt. Vergleichbar ist die Mini-Wohnform am ehesten mit einer Einzimmerwohnung, bei der im Schweizer Durchschnitt die Wohnfläche 29 m2 beträgt.[9] Das Mikro-Appartement trumpft allerdings mit einem smarten Innenausbaukonzept auf, welches die Funktionalität einer 2 ½-Zimmerwohnung in eine Einzimmerwohnung packt.[10] Die Möblierung ist, wie beispielsweise bei den MOVEment Wohnungen im Appartementhaus The Jay in Adliswil, funktional so gestaltet, dass sie sich verschiedenen Lebenssituationen wie Schlafen, Essen und Wohnen modular anpassen lässt. Anstelle starrer Möbelstücke sind mobile Wohnelemente vorhanden, die situationsbedingt verschoben, auf-, herunter-, oder zugeklappt werden können. So entsteht beispielsweise morgens nach dem Aufstehen in Kürze ein Esszimmer zum Frühstücken und später ein Wohnzimmer, um Gäste zu empfangen. Wie gut das funktioniert und wie sich die Bewohner darin verhalten, untersucht derzeit die ETH Zürich.[11]

Abbildung 2: Appartementhaus City Pop in Zürich, City Pop

Service wie im Hotel

Zur Befriedigung der privaten Grundbedürfnisse wie Schlafen, Geborgenheit, Hygiene und Rückzug genügt grundsätzlich eine Einzimmerwohnung. Kochen, Essen, Fernsehen, Wäsche waschen sind Dinge, die zunehmend nicht mehr ausschliesslich mit der eigenen Wohnung verbunden werden. Community und Sharing begleiten das minimalistische Wohnkonzept der Mikroapartments.[12] So wird der persönliche Wohnkomfort nicht zwingend geschmälert, aber gewisse Annehmlichkeiten ausgelagert. Das Vorzeigebeispiel und einer der Vorreiter der Mikroapartments aus den USA, CarmelPlace, Manhattan, NY, bietet 55 Appartements mit einer Wohnungsgrösse von 24 bis 33 m2.[13] Den Bewohnern stehen dort nebst einem Fitnessstudio, einer Wäscherei, einer grosszügigen Lobby auch Gemeinschaftsräume und Lounges zum Verweilen zur Verfügung. Das kürzlich eröffnete City Pop in Zürich bedient die Bewohner ebenfalls mit Wäsche- und Reinigungsservice, flexiblen Lagerboxen, Car- und Bikesharing sowie anderen Services, die bequem per App bestellt und abgerechnet werden.[14] Angebunden an einen Hotelbetrieb oder dank externen Dienstleistern können zahlreiche Extras bezogen werden. Diese Ausprägung wird auch Serviced Apartments genannt.[15]

Die flexible Wohnform zieht eine junge Klientel an

Abbildung 3: Die digitale Plattform für Mieter bei City Pop, , City Pop

Der typische Bewohner solcher Mini-Wohnungen ist jung und allein wohnend. Denn Mikroapartments sind nicht für Mehrpersonenhaushalte konzipiert. Bei City Pop in Zürich wohnen vorwiegend junge Erwerbstätige, Studenten und internationale Geschäftsleute aber auch vereinzelt Senioren. Der Altersmedian beträgt gerade mal 30 Jahre. Die Berufstätigen und Studenten unter ihnen wollen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes oder der Universität wohnen.[16] Denn Pendeln verbraucht wertvolle Zeit. Ihr Zuhause soll immer dort sein, wo sie gerade leben, arbeiten oder studieren. Ein 31-jähriger Mikro-Bewohner, der aus beruflichen Gründen aus Deutschland nach Zürich gezogen ist, sagt: «Ich war von der Idee, der Einrichtung und dem Konzept beeindruckt. Alles Notwendige für den Alltag ist vorhanden. Somit hatte ich keinen Aufwand für den Umzug aus Deutschland und kann mich erst einmal im Beruf und in Zürich einleben.»

Mikroapartments können in jeder Lebensphase eine geeignete Wohnform sein. Von der Erstwohnung während des Studentenlebens über die temporäre Bleibe als weitreisender Geschäftsmann bis hin zum Seniorenleben nach der aktiven Geschäftszeit. Doch Vorsicht: das Alleinleben auf Dauer hat auch seine Schattenseiten. Eine Langzeitstudie aus Dänemark kommt zum Schluss, dass das Alleinleben zumindest für Männer so gefährlich ist wie Rauchen.[17] Und gemäss Bundesamt für Statistik sind alleinlebende Personen 2.4-mal mehr armutsgefährdet als Paare.[18]

Downsizing entspricht dem heutigen Zeitgeist

Der durchschnittliche Schweizer Bewohner beansprucht mit 46 m2 rund die Hälfte mehr Wohnfläche als der Bewohner in einem Mikroapartement.[19] Der Zeitgeist des sparsamen und bewussten Umgangs mit Ressourcen spielt dem Konzept in die Karten. Das verdichtete Wohnen spart nicht nur Platz und ermöglicht zusätzlichen Bewohnern ein Leben im Zentrum, es spart auch Kosten bei der Erstellung und im Betrieb.

«Das Mikroapartment ist für mich die perfekte Lösung; es ist komplett eingerichtet und der vorhandene Platz ist sehr durchdacht und effizient genutzt. Der Beweis, dass man nicht viel Platz zum Leben benötigt. Der sympathische und mir persönlich sehr wichtige Nebeneffekt ist die Nachhaltigkeit», freut sich eine junge City-Pop-Bewohnerin.

Die Mietpreise bleiben hoch

Abbildung 4: Ungleichgewicht von Personenhaushalten zur Wohnungsgrösse, BFS – Bau- und Wohnungswesen, 2017, eigene Darstellung

Dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, zeigt der Spitzenplatz Zürich. Hier kostet die unmöblierte Einzimmerwohnung im Schnitt CHF 945.- pro Monat, während der Schweizer Durchschnitt bei CHF 744.- liegt.[20] Als neues Angebot werden Mikroapartments zumindest beim Mietpreisniveau für kleine Wohnungen keine Entlastung bringen. Denn für ein voll eingerichtetes Apartment inklusive Nebenkosten muss schnell einmal das Doppelte einer unmöblierten Einzimmerwohnung aufgewendet werden.[21] Dem Mieter mit kleinem Budget hilft es denn auch nicht, dass sämtliche Nebenkosten wie Heizung, Strom, TV, Internet, Möbel, Geschirr im Preis bereits eingeschlossen sind und Zusatzausgaben für Wohnungseinrichtung oder Umzug wegfallen.[22]

Im Gegensatz zu den ländlichen Gegenden sind in den grösseren Städten nicht nur die Preise höher, sondern es stehen auch nur gerade 1 % aller Wohnungen leer.[23] «In den Grosszentren übersteigt die Nachfrage weiterhin das Angebot, insbesondere im mittleren und unteren Preissegment».[24]

Zudem boomen Vermittlungsplattformen wie Airbnb. Dies führt zu einer weiteren Verknappung des städtischen Wohnraums. Die Eigentümer von städtischen Wohnungen vermieten ihre Liegenschaft lieber zu höheren Preisen an Touristen und entziehen so der lokalen Bevölkerung weiteren Wohnraum im Zentrum.[25] Es ist also kein Zufall, wurde 2016 vom Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» eingereicht.

Das Nischenangebot hat Zukunft

Vieles spricht dafür, dass Mikro-Living, wie der minimalistische Lebensstil auch genannt wird, Zukunft hat. Nicht nur die wachsende Gruppe alleinlebender Personen könnte den Mikro-Appartements Auftrieb geben. Immerhin leben in dieser Gruppe drei von vier Personen in einer Mietwohnung.[26] Auch die Bevölkerung und somit die Anzahl potenzieller Mieter nimmt stetig zu. Laut Szenario des Bundesamts für Statistik wird die Schweiz im Jahr 2045 die 10-Millionengrenze der ständigen Wohnbevölkerung erreicht haben.[27] Zu diesem Zeitpunkt wird die Zahl der heute rund 1.3 Mio. Einpersonenhaushalte bei 1.7 Mio. liegen.[28] Die Nachfrage nach kleinen Wohnungen wird in Zukunft kaum abreissen. Dafür spricht auch, dass die pensionierte Personengruppe länger und individueller leben kann – neun von zehn wohnen nach wie vor zuhause, ein Drittel davon allein.[29]

Investoren folgen der Nachfrage

Die Nachfrage nach kleinen Wohnungen besteht zweifellos. Sowohl bei City Pop als auch bei The Jay wurden alle Wohnungen innert kürzester Zeit vermietet. «Die Absorption beim Projekt The Jay in Adliswil darf als ausgezeichnet bezeichnet werden. Je kleiner die Wohnung war, umso schneller wurde diese vermietet», bestätigt Alex Valsecchi von MOVEment Systems AG. Die zügige Vermietung hinterlässt keine Leerstände und verbessert entsprechend die Anfangsrendite. Längerfristig betrachtet sind diese Konzepte in ihrer Funktionalität lohnend, da sie zu einem späteren Zeitpunkt einfacher umgenutzt werden können. Aus Wohnungen für Studenten werden Wohnungen für Senioren und umgekehrt. Zudem bringen kleinere Wohnungen tendenziell höhere Erträge als grosse Wohnungen.[30]

Auf der Kostenseite muss allerdings für Betrieb, Verwaltung und Unterhalt mehr eingerechnet werden. Aufgrund kürzerer Verweildauer – bei City Pop sind es durchschnittlich sechs Monate – sind die Wechselkosten entsprechend höher. Langzeiterfahrungen fehlen bei diesem noch jungen Produkt, unter dem Strich dürften sich Investitionen in dieses Immobiliensegment aber lohnen. «Der durch die MOVEment-Wohnungen erhöhte Ertragswert übersteigt in Agglomerationen und Städten die zusätzliche Investition in die MOVEment-Ausrüstung deutlich und steigert damit die Rendite der Liegenschaft», ist Alex Valsecchi überzeugt.

Nicht das Ei des Kolumbus

Mikroapartments nehmen Trendthemen wie Nachhaltigkeit, ökologischer Fussabdruck, verdichtetes Wohnen, Digitalisierung und Dichtestress auf und gehen mit der Zeit. Sie decken auch Bedürfnisse wie «Wohnen als Service», Flexibilität und Individualität in Zentrumsnähe ab. Die möblierten kleinen Behausungen positionieren sich zwar näher an der Einzimmerwohnung als an einem Hotelzimmer, glänzen aber dennoch mit praktischen Services. Als Nischenprodukt ergänzen sie den traditionellen Mietwohnungsmarkt in sinnvoller Art und Weise, ohne die klassischen Einzimmerwohnungen zu ersetzen. In Lebensphasen, in denen Flexibilität die Maxime ist, sind Mikroapartments durchaus eine Wohnform der Zukunft. Sie sind aber kaum die Lösung, wenn es darum geht, bezahlbaren Wohnraum in städtischen Gebieten zu schaffen. Dafür werden sie schlichtweg noch zu teuer auf dem Markt angeboten.

Dieser Beitrag ist während eines Projektes der Studierenden des MAS Immobilienmanagement entstanden.

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Quellen:

[1] (Bundesamt für Statistik, 2018)

[2] (Bundesamt für Wohnungswesen BWO, 2019) / (Hufschmid, 2018)

[3]  Bürgi, M. (2017). Trend: Die Schweiz entdeckt die Mikro-Appartments. Handelszeitung.

[4] (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2019)

[5] (Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt, 2019)

[6] (Bundesamt für Statistik, 2019)

[7] (Bundesamt für Statistik, 2019)

[8] (Bundesamt für Statistik, 2018)

[9] (Bundesamt für Statistik, 2019)

[10] (MOVEment Systems AG, 2019)

[11] Redaktion Hönnger mm/pas. (2019). Neue Wohnformen testen. Höngger.

[12] (nARCHITECTS, 2019) / (Artisa, 2019)

[13] (nARCHITECTS, 2019)

[14] Artisa. (2019). City-Pop.

[15] (Wikipedia, 2019)

[16] Gojdka, V. (2016). WG? Wollen wir nicht mehr! Frankfurer Allgemeine.

[17]  Ahner, N. (2019). Gefährliches Single-Leben. Basellandschaftliche Zeitung.

[18] (Bundesamt für Statistik, 2019)

[19] (Bundesamt für Statistik, 2019)

[20] (Bundesamt für Statistik, 2019)

[21] Artisa. (2019). City-Pop.

[22] Artisa. (2019). City-Pop.

[23] (Bundesamt für Statistik, 2018)

[24] Hauri, E. (2019). Jahresbericht 2018 – Bundesamt für Wohnungswesen. Bundesamt für Wohnungswesen BWO.

[25] (Handelszeitung, 2019)

[26] (Bundesamt für Wohnungswesen BWO, 2019)

[27] (Bundesamt für Statistik, 2015)

[28] (Bundesamt für Statistik, 2017)

[29] (Bundesamt für Wohnungswesen BWO, 2019)

[30] Martel, Andrea. (25. 10 2018). Beim Prime Tower soll ein Wohnturm mit Mikroapartments entstehen. (N. Z. Zeitung, Hrsg.) Abgerufen am 2019

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