18. Februar 2019

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Sanierung versus Ersatzneubau

Sanierung versus Ersatzneubau

Das markante Hochhaus an der Heuwaage ist seit Mitte der 50er Jahre Bestandteil des Basler Stadtbildes. Im Jahr 2023 soll anstelle des in die Jahre gekommenen Wohn- Und Geschäftshauses eine neue Silhouette die Innenstadt prägen: Der Eigentümer entschied sich für einen Ersatzneubau.

Als Eigentümer einer Renditeliegenschaft hat man eine hohe Verantwortung gegenüber seinen Mietern – nicht zuletzt hinsichtlich der Sicherheit. Denn der Eigentümer haftet für den Schaden, der einem anderen durch sein Werk entsteht, auch wenn ihn kein Verschulden trifft. Nach dem verheerenden Hochhausbrand in London stellt sich neben den gängigen Problemen, wie der Gebrauchstauglichkeit und der Nachhaltigkeit bestehender Gebäude, vermehrt auch die Frage nach dem Brandschutz; als weiterer Aspekt ist in Basel das Kriterium der Erdbebensicherheit zu berücksichtigen. Denn Basel ist neben dem Wallis die erdbebengefährdetste Region der Schweiz.

Die Basellandschaftliche Pensionskasse war mit diesen Themen hinsichtlich der zukünftigen Nutzung ihres Hochhauses an der Basler Heuwaage konfrontiert und musste sich zwischen Sanierung und Ersatzneubau entscheiden. Nahezu 35 Prozent des Wohnungsbestandes der Stadt Basel – wie auch der Schweiz –  ist älter als 30 Jahre und wurde in der Bauperiode zwischen 1945 und 1980 erstellt. Davon ist ein grosser Teil sanierungsbedürftig und weist bauliche und strukturelle Mängel auf.

Das Hochhaus an der Heuwaage wurde seit der Erstellung im Jahr 1955 nicht umfassend revitalisiert. Zwar wurde das Gebäude laufend unterhalten und zwischenzeitlich auch die Fassade ersetzt, jedoch ist es demodiert und müsste mittelfristig umfassend saniert werden: Neben den Oberflächen, den Küchen und Bädern sowie den Elektroinstallationen müsste die gesamte haustechnische Infrastruktur erneuert werden; der nutzbare Restbestand beschränkt sich auf den massiven Rohbau.

Doch dieser weist strukturelle Mängel auf, die mit einer Sanierung nicht wesentlich verbessert werden können – etwa die niedrigen Geschosshöhen, die Schallisolation, energetische Defizite und die Bausubstanz, die den heutigen Anforderungen hinsichtlich Brandschutz und Erdbebensicherheit nicht mehr entsprechen. Eine Nachrüstung dieser baulichen Komponenten ist teilweise zwar technisch realisierbar, aber kostenintensiv – und die strukturellen Defizite blieben auch nach einer Sanierung bestehen.

Kosten- und Nutzenverhältnis

Ob ein Ersatzneubau gegenüber einer Sanierung wirtschaftlich sinnvoll ist, ist nicht einfach zu beantworten. In der Regel ist davon auszugehen, dass der Wert der bestehenden Bausubstanz über die Jahre abnimmt und der Wert des Baulandes steigt. Um dieses Ungleichgewicht zu beheben, sind zyklische Sanierungs- und Erneuerungsmassnahmen erforderlich. Hinzu kommt, dass sich die Ansprüche an Wohnraum in den letzten 50 Jahren verändert haben. Sprach man in den 50er Jahren noch von einem Wohnraumbedarf von 37 qm/ Kopf, sind heute gemäss Bundesamt für Statistik 45 Quadratmeter der Durchschnittswert. Der klassische 4-Personen-Haushalt weicht zunehmend karrierebewussten Paaren, Best-Agern, Singles und Patchworkfamilien, deren Bedürfnisse die Standardwohnung mit kleiner Küche, einem Bad und drei Zimmern nicht zu decken vermag.

Um eine sinnvolle Sanierung durchführen zu können, ist es bei einem Gebäude dieser Dimension fast unumgänglich, eine Totalsanierung im unbewohnten Zustand durchzuführen.

Mehrwert durch Ersatzneubau

Seit dem Jahr 2012 befasst sich die Eigentümerin mit der zukünftigen Strategie ihrer Liegenschaft. Das Hochbau- und Planungsamt der Stadt Basel wurde frühzeitig in den Prozess eingebunden; 2015 einigte man sich darauf, ein Bebauungsplanverfahren zu starten. Im 2017 durchgeführten Studienwettbewerb konnte sich das Büro Miller & Maranta mit seinem Entwurf gegen fünf Mitbewerber durchsetzen; das Siegerprojekt dient nun als Grundlage für den Bebauungsplan, der vom grossen Rat genehmigt werden muss.

Im Vergleich zum bestehenden Gebäude ermöglicht der Neubau fast eine Verdopplung der Hauptnutzfläche. Die Anzahl der Wohnungen kann von 41 auf 69 erhöht werden und bietet einen Mix aus 2,5- und 3,5-Zimmer-Einheiten, auch die Zahl der Retail- und Büroflächen in den unteren Geschossen wird erhöht. Die Mehrkosten, die der Neubau gegenüber einer werterhaltenden Sanierung generiert, können durch die Möglichkeit der Mehrnutzung, die der Bebauungsplan festschreibt, relativiert und amortisiert werden. Zweifellos wird durch den Abbruch eines bestehenden Gebäudes ein Wert vernichtet. Der Mehrwert eines Neubaus lässt sich demgegenüber durch das Potenzial einer höheren Ausnutzung, die zielgruppengerechte Reaktion auf die Nachfrage, eine Reduktion der Leerstände und höhere Ertragsaussichten monetär erfassen.

Anforderungen an den Brandschutz

Die Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKF) definiert in ihren Brandschutzvorschriften die Anforderungen an den baulichen Brandschutz. Diese Vorschriften stellen die gesetzliche Grundlage für die Ausführung des Brandschutzes in Gebäuden dar und zählen weltweit zu den höchsten Sicherheitsstandards. Hochhäuser – als solche gelten Gebäude mit mehr als 30 m Gesamthöhe – haben zusätzliche Brandschutzanforderungen zu erfüllen, die sowohl bei Neubauten als auch bei Umbauten gelten. Diese Auflagen und Sicherheitseinrichtungen in bestehenden Gebäuden zu erfüllen und nachzurüsten, stellt nicht nur einen hohen Kostenfaktor dar, sondern ist technisch auch mit Komplikationen verbunden und nicht immer möglich.

Auch beim Hochhaus an der Heuwaage war dies ein Argument für den Ersatzneubau, da das Nachrüsten der Sicherheitseinrichtungen nur mit einem Aufbrechen der bestehenden Strukturen und einer Reduktion der Grundrissfläche zulasten der Wohnungen möglich gewesen wäre. Gemäss Bundesamt für Umwelt BAFU ist in der Schweiz das Erdbebenrisiko das bedeutendste Risiko aus Naturgefahren. Im weltweiten Vergleich ist die Gefahr als mässig bis mittel, jedoch in einigen Regionen –  so auch in Basel – als erhöht einzustufen. Neue Bauwerke müssen gemäss den SIA-Normen (Tragwerksnormen SIA 260 bis 267) erdbebensicher geplant und gebaut werden.

Bestehende Bauwerke sollten bezüglich ihrer Erdbebensicherheit überprüft und wenn nötig ertüchtigt werden. Im November 2004 wurde das Merkblatt SIA 2018 «Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben» publiziert. Dieses definiert den Wert der akzeptierbaren Erdbebensicherheit für bestehende Bauten, unter Berücksichtigung deren Restnutzungsdauer. Eine Sanierungspflicht besteht für Bestandsbauten heute noch nicht, jedoch werden bei Sanierungen häufig Auflagen zur Erdbebenertüchtigung gestellt. Aus Haftungsgründen des Werkeigentümers gilt es diesen nachzukommen, um Risiken vorzubeugen.

Einbindung in den städtischen Kontext

Zu guter Letzt galt es zu berücksichtigen, dass sich zukünftig der städtebauliche Kontext im Umfeld der Liegenschaft stark verändern wird. Der Zugang zum Zoo Basel wurde bereits aufgewertet und neugestaltet. Das daran anschliessende Ozeanium, als neue Attraktion des Zoos, ist in Planung. Ein Kreisel unter dem Viadukt soll den Verkehr besser fliessen lassen, der Birsig-Parkplatz zum attraktiven Stadtraum für Fussgänger, Velofahrer, Detailhandel und Gastronomie werden.

Mit der Auslobung des Studienauftrages wurden die städtebaulichen Möglichkeiten aufgezeigt und eine hochwertige und attraktive Lösung evaluiert. Wie Architekt und Jurymitglied Christoph Gantenbein mitteilte, lobte das beurteilende Gremium das Siegerprojekt als einen Beitrag, «der mittels starker Präsenz den Ort rund um die Heuwaage neu charakterisiert». Aus Sicht von Beat Aeberhard wird mit dem Neubau und dem Ozeanium die Heuwaage deutlich aufgewertet. Es entstehe ein attraktives Eingangstor zur Basler Innenstadt, erklärte der Kantonsbaumeister von Basel-Stadt: «Das Hochhaus-Projekt schafft es, sowohl den engeren Kontext der Heuwaage als auch die Stadtsilhouette überzeugend neu zu definieren und sehr ansprechend zu gestalten.»

Jedes Gebäude benötigt eine Strategie

Unterdessen ist längst nicht in jedem Fall einem Ersatzneubau gegenüber einer Sanierung der Vorzug zu geben. Das Abwägen der verschiedenen Komponenten ist für den Eigentümer von entscheidender Bedeutung, um einen nachhaltigen Entscheid für die Zukunft treffen zu können. Nicht zuletzt stellen die finanziellen Mittel und die Anlagestrategie des jeweiligen Eigentümers die Weichen für dessen Immobilienstrategie. Im Falle des Hochhauses an der Heuwaage zeigte sich, dass durch den Ersatzneubau auf der eigenen Parzelle und die Erweiterung des baulichen Potenzials durch den Bebauungsplan, der städtebauliche Kontext aufgewertet und der Standort für Mieter und Eigentümer attraktiv, zeitgemäss und sicher gemacht werden kann.

Autorin: Anja Kalok, Dipl. Ing. (FH) Architektur, Immobilienbewerterin mit eidg. FA. Der Artikel entstand im Rahmen des MAS Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern.

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