26. Februar 2018

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Volksinitiative «Zahlbares Wohnen für alle»

Volksinitiative «Zahlbares Wohnen für alle»

Am 04. März 2018 findet in Luzern die Abstimmung zur Volksinitiative «Zahlbares Wohnen für alle» statt. Das Zofinger Tagblatt befragte Christian Kraft, Dozent und Projektleiter des CC Immobilen am IFZ Zug, am 18.02.2018 zur aktuellen Situation des Wohnungsmarkts in Luzern.

Herr Kraft, der Kanton ist der Ansicht, dass die Vorlage unnötig ist: Die Mietzinse würden in den nächsten Jahren sowieso sinken, weil die Bautätigkeit zunimmt. Wie beurteilen Sie das?

Christian Kraft: Der Luzerner Markt ist heute sehr stabil. Die Leerstandsziffer ist von sehr tiefen 0,7 Prozent 2008 auf heute gut 1 Prozent angestiegen. In einer Überbauung mit 100 Wohnungen steht eine Wohnung leer. Das ist ein tiefes Niveau. Mit den neuen Projekten wird der Trend zu einem mieterfreundlichen Markt weiter zunehmen. Das wird vielerorts zu stabilen, punktuell aber auch zu sinkenden Mieten führen. Wenn es nach der SP geht, explodieren die Mietpreise zurzeit.

Ein Leerstand von 1 Prozent bedeutet, dass es nicht unbegrenzt Wohnungen gibt. Die Aussage der explodierenden Mieten entspricht jedoch nicht der Realität. 2013 bewegten sich die Preise der günstigsten Angebote für Dreizimmerwohnungen in der Stadt Luzern zum Beispiel zwischen 1200 und 1300 Schweizer Franken Monatsmiete. Bis 2016 ist diese Spannbreite knappheitsbedingt auf 1300 bis 1500 Franken angestiegen. Seither entspannen sich die Mietpreise aber wieder. Die Preisspanne ist 2017 bereits zurückgefallen auf 1200 bis 1400 Franken.

Würde der gemeinnützige Wohnungsbau hier nicht für mehr Stabilität sorgen?

Aus ökologischer, ökonomischer und raumplanerischer Perspektive ist es wichtig, privaten Investoren Investitionsmöglichkeiten in den Städten zu ermöglichen. Je mehr gefördert wird, desto stärker werden die Wettbewerbsnachteile für Private. Sie ziehen sich dann zurück und es entstehen nicht genügend Wohnungen, wodurch die Mieten steigen. Ich halte das Modell der Wohnbaugenossenschaften für richtig, um die Balance zu halten. Direkte, grossmassstäbliche Eingriffe sind dagegen gefährlich für das Gleichgewicht und aus Sicht der öffentlichen Hand auch sehr teuer.

Ist es die Aufgabe der Kantone und Gemeinden, um einen fairen Wohnungsmix, eine gute Mischung von günstigem und kostspieligem Wohnraum, besorgt zu sein?

Grundsätzlich sollte eine Region Wohnraum für alle Einkommensklassen bieten. Es ist die Aufgabe der Kantone und Gemeinden, Leitplanken für die Schaffung von lebenswerten, vielfältigen und durchmischten Städten und Quartieren zu schaffen. Neue Quartiere und Überbauungen auf eine spezifische, homogene Zielgruppe auszurichten, ist eine sehr kurzsichtige Strategie, unter der die Standortattraktivität langfristig leidet.

Und wann sollte günstiger Wohnraum speziell gefördert werden?

Die Frage der finanziellen Förderung stellt sich dann, wenn der Markt die untersten Einkommensgruppen nicht ausreichend mit Wohnungen versorgt. Es gibt in diesem Zusammenhang übrigens aber auch die Möglichkeit der Subjektförderung, bei der nicht Wohnungen, sondern Haushalte gezielt gefördert werden, um sich eine Wohnung leisten zu können. Diese Form der Förderung hat grosse Vorteile gegenüber der Subventionierung von Wohnungen: Die Haushalte werden gezielt und effizient gefördert. Lässt ihre Einkommenssituation irgendwann die selbstständige Finanzierung ihrer Wohnung zu, können die öffentlichen Mittel dann eben auch wieder reduziert werden.

Ist die Regel, dass man nicht mehr als einen Drittel des Lohnes fürs Wohnen ausgeben soll, nach wie vor aktuell?

Ich halte es für richtig, dass Mieter, Vermieter diese Regel als Richtschnur verwenden. Vielfach wird sie aber der wachsenden Komplexität nicht mehr gerecht. Etwa bei Pensionierten, die ein tiefes Einkommen aber ein respektables Vermögen haben.

Immer mehr Menschen wohnen alleine. Was bedeutet das für den Wohnungsmarkt?

Dieser Trend setzt sich fort. Neben demografischen und sozialen Faktoren spielt hier auch die Mobilität eine Rolle. Von Arbeitnehmern wird räumlich immer mehr Flexibilität verlangt. Viele werden zum Beispiel projektbasiert eingesetzt und benötigen dann Wohnungen am Einsatzort für eine limitierte Zeit. Der Wohnungsmarkt hinkt dieser Nachfrage etwas hinterher. Es gibt tendenziell im Moment zu wenige Ein- und Zweizimmerwohnungen. Die Immobilienwelt hat das aber erkannt. Neben Familienwohnungen werden im Moment auch wieder kleine Wohnungen, sogenannte Mikroapartments geplant und gebaut.

Zurück zur Initiative, wonach die Gemeinden ein Vorkaufsrecht bei kantonalen Grundstücken erhalten sollen, wenn sie damit den gemeinnützigen Wohnbau fördern wollen. Was hat der Kanton davon?

Wird ein Grundstück unter Wert verkauft, zahlt irgendwer die Rechnung. In diesem Fall der Kanton, weil er mit dem Vorkaufsrecht nicht den Marktpreis erzielen kann. Bewohnbares Land ist einfach wertvoll. Der Kanton könnte deshalb einfach Eigentümer bleiben und das Land im Baurecht abgeben. Über einen Wettbewerb kann er ein Investoren- und Entwicklerteam verpflichten, das günstige Familienwohnungen in das Gesamtkonzept integriert und nach Fertigstellung vermietet. Der Kanton kann die Projektrisiken abgeben, behält als Baurechtgeber Einflussmöglichkeiten und erhält eine langfristige und gute Rendite in Form des Baurechtszinses.

Spricht die Initiative vor allem eine urbane Klientel an?

Das kann ich schlecht beurteilen. Da das Preisniveau aufgrund der hohen Lebensqualität und der Nähe zu Arbeitsplätzen in Städten wie Luzern grundsätzlich höher ist als auf dem Land, dürfte die Initiative vermutlich einige Städter ansprechen. Sieht die Bevölkerung in der Vorlage einen Grundsatzentscheid, wird die Initiative auch Menschen ansprechen, die selber von der Thematik gar nicht betroffen sind.

Das Interview wurde von Ronnie Zumbühl geführt und ist am 18.02.2018 im Zofinger Tagblatt erschienen.

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