2. Oktober 2017

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12 Jahre Facebook: Ein Rück- und Ausblick für die Immobilienvermarktung

12 Jahre Facebook: Ein Rück- und Ausblick für die Immobilienvermarktung

Die sozialen Medien haben in den letzten zehn Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Trotz des grossen Potentials spielen SM-Plattformen wie Facebook, Xing oder Google+ aber immer noch eine unbedeutende Rolle in der Immobilien-branche. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Um sich für die Zukunft zu wappnen, ist es für Immobilienvermarkter von entscheidender Bedeutung, den sozialen Medien die Bedeutung zukommen zu lassen, die sie verdienen.

Daniel Hediger, Elisabeth Meier

Facebook ist die beliebteste Social Media Plattform in der Schweiz und ist aufgrund ihrer grossen Reichweite und effektiven Werbewirkung für viele Firmen nicht mehr aus dem Online-Marketingmix wegzudenken. Die Immobilienbranche ist jedoch kaum auf Facebook oder anderen Social Media Plattformen aktiv. In diesem Beitrag zeigen wir auf, warum jetzt für die Immobilienbranche der richtige Zeitpunkt ist, in Social Media Plattformen zu investieren. Im ersten Teil stellen wir die Bedeutung von Social Media in der Schweiz vor und wie die richtige Strategie hilft, mit den grössten Herausforderungen umzugehen. Im zweiten Teil zeigen wir anhand einer Customer Journey auf, welches Potential Social Media gerade für die Vermietung und den Verkauf von Wohnungen hat. Zum Schluss empfehlen wir vier Massnahmen, die für ein erfolgreiches Social Media Marketing zu beachten sind.

Social Media: Hype oder produktives Marketinginstrument?

Facebook wird 12 Jahre alt und hat weltweit 1.4 Mia. Nutzer, davon 3.5 Mio. alleine in der Schweiz. Instagram ist innerhalb von 5 Jahren auf 400 Mio. User gewachsen. Während wir diesen Abschnitt lesen, werden auf Youtube zeitgleich 2 Mio. Filme geschaut. Wenn Katy Perry einen Tweet absetzt, interessieren sich 85 Mio. Menschen dafür. Ein Hype? Nein, digitale Revolution trifft es eher. Blicken wir zurück auf die vergangenen zwölf Social Media Jahre.

Als Mark Zuckerberg im Jahr 2004 Facebook gründete, war dies zur gleichen Zeit, als man in der Immobilienbranche für die Vermarktung vermehrt Webpages einsetzte. Vor allem grosse Überbauungen bekamen einen eigenständigen Internetauftritt. Die ersten Webauftritte glichen zwar einem gedruckten Inserat, aber die Immobilien- vermarktung ging online.

Bereits im Jahr 2007 entdeckten grosse Marken wie Coca-Cola, Microsoft und Sony Facebook als neue Marketingplatt- form. Für diese Vorreiterrolle wurde Coca- Cola von seinen Fans belohnt, heute ver- fügt der Brand über 96 Mio. Follower. In der Immobilienbranche sah man zu dieser Zeit keinen Handlungsbedarf. Die Leerwohnungsziffer hatte sich bei einem Allzeittief von +/- 1 Prozent eingependelt (vgl. Bundesamt für Statistik). Man begnügte sich damit, eine Projektwebpage zu erstellen. Im Jahre 2009 gehörte in der Immobilienvermarktung der Webpage-Auftritt zum Standard-Marketingmix. Einzelne innovative Immobiliendienstleister machten zu dieser Zeit die ersten Erfahrungen mit Facebook. Es blieb allerdings mehrheitlich bei einem Versuch. Es wurde zu wenig berücksichtigt, dass in den sozialen Medien andere Regeln herrschen. Die Erfolgsmessung ist komplex und beispielsweise nicht vergleichbar mit der Publikation eines Printinserates. Bei einer Printpublikation kann eine Woche nach Erscheinen Bilanz gezogen werden. Bei den meisten Facebook-Seiten Betreibern reichten damals die Ressourcen, das Know-how und vor allem die Kontinuität nicht aus, um weiter zu investieren.

Ein sich abkühlender Immobilienmarkt und ein wachsendes Kundeninteresse, sich vermehrt auch auf den sozialen Netzwerken zu Immobilien-Angeboten zu informieren (vgl. NZZ Immo Barometer), könnte die Branche zu einem weiteren Schritt in Richtung Social-Vermarktung bewegen.

Warum es eine Strategie braucht

Eine Strategie ist unabdingbar für eine erfolgreiche Social Media Investition. Warum soll etwas erreicht werden? Was soll erreicht werden? Wie soll es erreicht werden? Die Social Media Strategie wird aus der Projekt- und Unternehmungsstrategie abgeleitet. Die Ziele müssen der Ge- samtstrategie dienen. Wichtig: es müssen realistische und medium-gerechte Ziele angestrebt werden.

Welche negativen Auswirkungen der Austausch von Nutzern für den Anbieter haben kann und wie man negative Informationen gezielt verhindert

Kontrollverlust und Angst vor negativen Kommentaren sind die Hauptgründe, wieso sich viele in der Branche weiterhin zurückhaltend geben. Es ist korrekt, negative Kommentare können sich online schneller verbreiten als offline und gar in einem Shitstorm enden. In jedem professionell aufgesetzten Projekt wird man jedoch auf negative Publizität vorbereitet sein. Die Devise lautet: Proaktiver Umgang mit negativen Voten. Aus den Kommentaren auf den Social Media Plattformen können Lehren gezogen werden. Besser, negative Diskussionen finden auf der eigenen Plattform statt und können orchestriert werden, anstelle dass sie irgendwo stattfinden. Sind Potenziale für negative Meinungen vorhanden, beschäftigt es die Kunden, ob sie die Möglichkeiten haben, sich auf einer Plattform zu äussern oder nicht. Mit Social Media erhält man eine direkte Schnittstelle zu den Kunden und kann in den Dialog treten und die Bedenken aus der Welt schaffen. Oft haben negative Meinungen mit fehlenden Informationen zu tun. Wenn diese Lücke geschlossen wird, lösen sich die Vorbehalte nicht selten auf. Die nachfolgende Eskalationsskala gibt hier Sicherheit bei der Handhabung von negativen Kommentaren.

Wie Social Media als Plattform für Emp- fehlungsmarketing genutzt werden kann

Das Vertrauen gegenüber Werbung von Personen die man kennt (sog. Mund-zu-Mund Propaganda), führt die Statistik „Vertrauen in Werbung“ (vgl. Nielsen, 2015) seit Jahren an. Die zusätzliche Chance, die hier die Social Media Plattformen bieten, ist die Reichweite. Wenn wir an das Kleine-Welt-Phänomen denken, dass jede Person über sechs weitere Personen mit jedem Menschen auf der Welt in Kontakt treten kann, bekommt man einen Eindruck zum Potenzial des digitalen Empfehlungsmarketings. Was sind, nebst empfehlenswerten Projekten, die Voraussetzung für digitale Weiterempfehlungen? Es braucht leicht teilbare und auf die entsprechenden Plattformen zugeschnittene Inhalte. Angereichert mit kleinen Anreizen oder besonders originellem Content verbreiten sich die Botschaften in Windeseile.

Ein Beispiel der Facebook Seite des Einkaufszentrums Shoppi Tivoli: Ein besonders emotionaler Post, der Heiratsantrag in der Mall und inszeniert als Flashmob, wurde 51‘000 Mal angeschaut, 255 Mal geteilt und erhielt 1‘500 Likes (vgl. Facebook-Seite Shoppi Tivoli, 2015). So kamen mehrere Hunderttausende Personen mit dem Brand Shoppi Tivoli innert kürzester Zeit in Berührung.

Vereinfachtes Umsetzungsbeispiel

Wie kann dies nun in der Umsetzung aussehen? Ein qualitatives Unternehmensziel kann zum Beispiel lauten „Wir heben uns durch unsere hohe fachliche Kompetenz und Kundenbetreuung von der Konkurrenz ab“. In den sozialen Medien kann die Kompetenzführerschaft durch Know-how Vermittlung demonstriert werden. Welche nun mit Massnahmen auf die spezifischen Zielgruppen umgesetzt wird.

Nehmen wir als Beispiel eine Wohnliegenschaft mit kleinteiligen Wohnungen. Idealer Wohnraum für junge Singles und Paare sowie ältere Menschen. Die Mustermieterin Alexandra Bürgin entspricht mit ihrem Lebensentwurf einer unserer Kernzielgruppe. Wir wissen, dass die Altersgruppe 20 bis 29 Jahre die grösste Nutzergruppe auf Facebook ist (vgl. Bernetblog, 2015). Und wir wissen weiter, dass sich Alexandra für die Suche nach einem WG-Zimmer auf Facebook auf hält.

Bei unserem Projektbeispiel ist das Betreiben einer Facebook-Seite sehr empfehlenswert. Nun definieren wir die auf Facebook ausgerichteten Ziele. Sie müssen messbar und realistisch sein. Das Ziel a) „Wir erreichen eine schnellere Vollvermietung durch den Einsatz von Facebook“ ist nicht messbar oder b) „Wir erreichen alle Schweizer Facebook User“ ist eher unrealistisch. Ein gutes Ziel ist „10 Prozent der Website-Be- sucher kommen via unserer Facebook- Seite zu uns. Davon füllen die Hälfte das Kontaktformular aus.“

Nun haben wir alle Fakten (Warum soll etwas erreicht werden? Was soll erreicht werden? Wie soll es erreicht werden?) zusammengetragen und können mit der Content-Planung beginnen.

Alexandra ist offen für spannende Wohnungsprojekte, interessiert sich für Sport, liebt Shopping und ist Trendsetterin. Als Inhalt eignet sich nebst den Informationen zu den Wohnungen (Visualisierungen, Preise, Vermarkterportrait etc.), Informationen zum Quartier (Trendlokale, Fitnesscenter, Shopping) und zu Wohntrends, Einrichten und Lifestyle. Damit Alexandra auf unsere Facebook-Seite aufmerksam wird, investieren wir ein bescheidenes Budget in bezahlte Beiträge (sponsored Posts) und Werbeanzeigen (Facebook Ads). Wir konzentrieren uns bei der Schaltung der Werbung ebenfalls auf unsere Zielgruppe. Wichtig ist, dass, wenn Alexandra durch die bezahlte Werbung auf unsere Seite aufmerksam wird, unser Inhalt für sie einen Mehrwert darstellt und sie uns auf Facebook folgt, die Webpage besucht und schliesslich eine Wohnungsbe- sichtigung vereinbart. Bei jedem einzelnen Beitrag, muss sich die Frage gestellt werden, ob es sich um einen Mehrwert für Alexandra handelt. Ist die Antwort nein, kann der Beitrag eingespart werden. In den von uns untersuchten Facebook-Auftritten von Schweizer Immobilienunternehmen, sind das auch gleich die beiden Punkte, welche am häufigsten missachtet werden.

Regelmässige und relevante Beiträge sind das Erfolgsrezept, um eine Fangemeinde aufzubauen und sich in den sozialen Medien eine gute Reputation zu erarbeiten. Werbung für eigene Angebote hat darin auch ihren Platz. Als Faustregel empfehlen wir ein Verhält- nis von 1:4 oder höher. Also pro Beitrag mit Eigenwerbung (Angebot, Mitarbeiternews, Firmennews etc.) sind vier oder mehr andere Beiträge zu veröffentlichen.

Facebook, Twitter, Pinterest, Instagram, XING oder Google+

Wie findet sich in der Vielzahl der Plattformen die effektivste für meine Ziele? Das klärt sich aus der Strategie und der daraus resultierenden Positionierung. Als weiterer Strategieschritt wird die Zielgruppe für das Projekt analysiert. Die Customer Journey gibt dann Klarheit, wo sich meine Kunden aufhalten und welche Kanäle prioritär behandelt werden sollten. Im nächsten Kapitel vertiefen wir daher das Thema Customer Journey in der Immobilienvermarktung.

Das Kundenverhalten als Grundlage für den Social Media Einsatz in der Immobilienvermarktung

Warum Customer Journey für die Vermarktung? Anspruchsvolle Produkte wie das Mieten einer Wohnung werden, anders als Konsumgüter, nicht spontan gekauft. Typischerweise durchlaufen wir in unserer Entscheidung mehrere Phasen bis zum Kauf. Aus Marketingsicht ist es daher sinnvoll zu wissen, in welcher Phase sich der potentielle Kunde befindet, sucht doch der Interessent je nach Phase unterschiedliche Informationen. In vielen Branchen, welche anspruchsvolle Produkte verkaufen, hat sich in den vergangenen 10 Jahren die Customer Journey als Analyse- und Planungsinstrument bewährt. Die Customer Journey zeigt alle Schritte und Interaktionen des potentiellen Kunden von A – Z auf. Damit steht die Kundensicht im Zentrum und nicht, wie bei den klassischen Verkaufs- und Absatzmethoden, der interne Verkaufsprozess des Verkäufers. In der Immobilienvermarktung sehen wir für die Customer Journey ein grosses Potenzial. Sie unterstützt Eigentümer, Projektentwickler und Vermarkter, das Immobilienangebot effektiver und effizienter zu kommunizieren. Die Customer Journey zeigt auf, wie der potentielle Mieter handelt, was er dabei denkt und fühlt. Von besonderem Interesse ist für die Vermietung von Wohnungen auch, zu erkennen, warum der potentielle Mieter überhaupt eine neue Wohnung wünscht.

Bestimmung des Mustermieters. Da die Beweggründe für die Wohnungssuche (Motivation, Auslöser) und das daraus zu beobachtende Handeln individuell sind, empfehlen wir, die Customer Journey auf einen bestimmten Mustermieter zu fokussieren. Ein Mustermieter ist eine möglichst realistische Beschreibung einer fiktiven Person, er steht stellvertretend für den zukünftigen Nutzer der Liegenschaft. Ein Mustermieter baut auf einer Markt- und Standortanalyse auf und erweitert diese mit fundierten Aussagen zum Verhalten, seinen Erwartungen und Alltagssituationen.

Für dieses Beispiel betrachten wir die Customer Journey von Alexandra Bürgin. Alexandra ist 24 Jahre alt und arbeitet als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse in Rapperswil. Sie wohnt bei ihren Eltern in Rapperswil. In vier Monaten tritt sie eine neue Stelle in Zürich-Altstetten an und möchte nahe bei ihrem Arbeitsplatz wohnen. Sie möchte am liebsten eine eigene 1–2 Zimmerwohnung, welche über einen praktischen Grundriss verfügt. Sie wird viel unterwegs sein, mit dem ÖV oder dem Velo. Für das Wohnen inklusive Nebenkosten möchte sie maximal 950 Franken ausgeben.

Customer JourneyDie Customer Journey für die Anmietung einer Wohnung teilen wir in drei Phasen ein. Die Status Quo-Phase umfasst die aktuelle Wohnsituation und die Bedarfs- entstehung, die zweite Phase die aktive Suche nach alternativen Angeboten und die dritte Phase den Mietentscheid und den Einzug.

Um ein besseres Verständnis der Kundenbedürfnisse zu erhalten und die Vermarktung darauf auszurichten, ist es lohnenswert, die Phasen nach vier Kriterien zu vertiefen. Erstens, was sind die Auslöser, zweitens, welche Handlungen unternimmt die Mieterin, drittens, was denkt sie dabei und viertens, wie fühlt sich die Mieterin in dieser Phase. In jeder Phase informiert und tauscht sich Alexandra aus, um ihrem Ziel, der eigenen Wohnung, näher zu kommen. Aus Sicht des Vermarkters findet Alexandra dabei auf ihrem Weg auch die von ihm angebotene Wohnung. Nachfolgend betrachten wir die drei Phasen aus der Sicht der Vermarktung und welchen Beitrag Social Media dabei leisten kann.

Touchpoints und Social Media

  1. Phase: Status Quo. Alexandras Wohnungssuche wird aufgrund des Jobwechsels und dem Wunsch (Lebensentwurf), nicht mehr bei Eltern wohnen zu wollen, ausgelöst. In der ersten Phase des Kaufprozesses sucht Alexandra nach Informationen, Orientierung und Sicherheit. Sie will sich auch fit für die Suche machen, damit sie eine für sich stimmige Entscheidung fällen kann. Sie sucht noch nicht eine konkrete Wohnung. Diese Schlaufe von der ersten Erwägung bis zur aktiven Suche wird oft mehrmals durchlaufen. Bei der Wohnungssuche kann sich diese Phase über mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre erstrecken. Mit attraktiven und relevanten Inhalten auf Social Media Plattformen kann ein Vermarkter, Bewirtschafter und Eigentümer dieses Bedürfnis abdecken. Sinnvoll sind hier Anleitungen sowie Tipps und Tricks zur Wohnungssuche, zur Wohnungsbewerbung, FAQ’s und ein Fachwortverzeichnis. Zu beachten ist jedoch, dass in dieser Phase die Interessenten vor allem Inhalten von anderen Nutzern vertrauen, also Reviews, Bewertungen und Foren.

Exkurs: Das Beispiel der Facebook- Gruppen: „Suchst Du eine Wohnung? Hier wird Dir geholfen!“

Für sechs Schweizer Städte bzw. Kantone (Basel, Bern, Luzern, Nidwalden/ Obwalden, Zug und Zürich) besteht eine Facebook-Gruppe mit diesem Namen und Zusatz des Kantons. In Luzern zählt die Gruppe über 13’300 Mitglieder, sie dürfte damit die grösste Immobiliengruppe auf Facebook in der Schweiz sein. Die Gruppe hat sich in Luzern bei vorwiegend jüngeren Menschen als Plattform für die Nachmietersuche etabliert. Die Gruppe ist hoch attraktiv für die Mitglieder, so finden sich pro Tag hier rund 5 – 10 Inserate für Nachmieter und WG-Partner, die Inserate sind aktuell und die privaten Anbieter und Suchenden sind hoch motiviert (Wohnung oder Nachmieter finden). Die meisten Anfragen werden innert wenigen Minuten direkt auf Facebook beantwortet.

Der Immobilienvermarkter Costa Combertaldi betreibt die Gruppen als kostenlosen Service. In die Pflege der sechs Gruppen investieren Combertaldi und ein Partner rund 90 Minuten täglich. Zur Pflege gehört das Aufnehmen und Ablehnen neuer Mitglieder, das Löschen von unerwünschten Kommentaren sowie Inse- rate professioneller Anbieter.

  1. Phase: Suche. Die aktive Suche nach einer Wohnung beginnt, nach dem die potentielle Mieterin die Schlaufe in der Status Quo-Phase mindestens einmal durchlaufen hat. Viele Mietinteressenten pendeln zwischen diesen beiden Phasen hin und her. In der Such-Phase versucht Alexandra sich im ersten Schritt eine möglichst grosse Auswahl zu schaffen. Daher sucht sie parallel nach einem freien WG-Platz auf Facebook, über Mund-zu-Mund-Propaganda in ihrer Familie und nach einer kleinen Wohnung auf Homegate. Auch das Angebot, ein Zimmer bei Freunden ihrer Eltern in der Stadt zu mieten, prüft sie. Die Suche dient im zweiten Schritt dazu, die eigenen Wünsche und Prioritäten mit der Realität abzugleichen. Also die Frage zu beantworten „Bekomme ich das, was ich möchte zu der Miete, die ich bezahlen kann?“ Dazu nutzt Alexandra vorwiegend Online-Plattformen, Google-Suche, Google Maps, Homegate, Comparis (Mietpreisnote), Local.ch, die Websites der Stadt Zürich, der Bewirtschafter und Vermarkter, sowie Facebook. Wichtig sind im zweiten Schritt, Informationen und Bewertungen rund um die Attraktivität des Wohnstandorts.

Im dritten Schritt wird Alexandra eine Wohnung aus ihrer Auswahl zu mieten versuchen. Sie besichtigt daher drei Wohnungen und bewirbt sich bei allen. In der Kommunikation mit dem Vermieter (Eigen- tümer, Bewirtschafter, Vermarkter), wird sie, ausser E-Mail, keine Online-Medien mehr nutzen können. Mit ihren Freunden tauscht sie sich weiterhin auf Facebook und WhatsApp über den aktuellen Prozess aus.

  1. Phase: Miete. Nach einer frustrierenden Besichtigung einer Altbauwohnung bekommt Alexandra einen Anruf einer Bekannten, die per sofort eine Nachmieterin für ihre 2-Zimmerwohnung sucht. Alexandra besichtigt die Wohnung umgehend und bewirbt sich gleich am nächsten Tag. Da sie nach 3 Tagen keine Nachricht über die Zustellung der Bewerbung erhalten hat, ruft sie die Bewirtschafterin an.

Erkenntnisse für die Vermarktung und den Einsatz von Social Media

Das Informationsverhalten im Vermietungsprozess hat sich in den vergangenen 10 Jahren grundlegend verändert. Die heute am Markt nicht mehr wegzudenkenden Immobilienportale sprechen dabei die aktiv suchenden Wohnungsmieter an. Sie unterstützen in unterschiedlichem Masse den Mieter bei der Suche nach Alternativen und beim Entscheiden.

Die beispielhafte Customer Journey von Alexandra zeigt auf, dass in der ersten Phase der Bedarfsentstehung die Immobi- lienportale keine relevante Rolle spielen. Die heutigen Immobilienportale erreichen die passiv Suchenden nicht und tragen kaum dazu bei, den Bedarf zu wecken. Sie richten ihr Angebot ausschliesslich auf die zweite Phase der Customer Journey. Aufgrund des in der Vergangenheit grossen Nachfrageüberhangs nach Mietwohnungen, war das auch kaum ein Bedürfnis der Eigentümer und Vermarkter. Social Media Plattformen werden in den nächsten 12 bis 18 Monaten einen immer grösseren Anteil des Medienkonsums gewinnen. Facebook, Twitter, Google+ und Co. werden sich noch stärker zu umfassenden Medien-, Kommunikations- und Einkaufsplattformen wandeln. Bereits heute erscheinen der Zeitungsartikel (bzw. der Artikel-Teaser), der Post eines Freundes und die Anzeige für den neuen Gasgrill untereinander und gleichwertig in meiner Timeline. Die Plattformen werden so für immer mehr Schweizerinnen und Schweizer, nebst der Google-Suche, die wichtigste Anlaufstelle für Nachrichten und die Kommunikation mit Freunden, Bekannten und Unternehmen. Damit gewinnt eine professionelle Bewirtschaftung der Social Media Plattformen weiter an Bedeutung.

Der Einsatz von Social Media durch die Akteure der Immobilienbranche ist nur in Ansätzen zu erkennen. So betreiben einige Vermarkter, die Immobilienportale und vereinzelte Eigentümer einen Social Media Auftritt auf Facebook oder Twitter. In den meisten Fällen werden die gleichen Inhalte, die auf der Firmenwebsite publiziert werden, über die sozialen Medien verbreitet. Spezifische Inhalte, die sich besonders, zum Beispiel für die Facebook- Fanpage, eignen, werden nicht erstellt. Aus Interviews mit Vermarkter, Werber und Eigentümer wissen wir, dass diese aufgrund des zusätzlichen Aufwands und dem als hoch eingeschätzten Reputationsrisiko sehr zurückhaltend agieren.

Mit der sinkenden Nachfrage nach Miet- und Eigentumswohnungen steigt der Bedarf nach Angeboten, die Mieter in der ersten Phase der Customer Journey erreichen. Die Potentiale entlang der Customer Journey sind beträchtlich, sich als Anbieter von Mietwohnungen bereits in der Status Quo-Phase vor dem eigentlichen Kaufprozess als kompetenter Partner zu positionieren. Social Media Plattformen sind bereits heute ein attraktiver Ort, um die potentiellen Mieter und Käufer von Wohnraum zu erreichen. In Zukunft zählt eine Präsenz auf Facebook & Co. wohl zu einer Selbstverständlichkeit, wie das Führen einer eigenen Website.

Empfehlungen für die Immobilienvermarktung

Aus unserer Erfahrung mit einigen Social Media Projekten für Immobilienentwicklungen und den Erkenntnissen aus Interviews mit Vermarktern, Werbern und Eigentümern haben wir die folgenden Empfehlungen herausgearbeitet:

  1. Das veränderte Kommunikations- und Informationsverhalten der Mieterinnen und Käufer von Immobilien stellt die Vermarktung vor neue Herausforderungen. Der Interessent bestimmt, wann er welche Information konsumieren will. Auch will er auf Augenhöhe mit dem Experten mitsprechen können. Social Media ermöglicht und beschleunigt diesen Prozess. Für die Vermarktung stellt sich die Frage „Sind wir als Vermarkter und Bewirtschafter fähig und kompetent, mit Interessenten und Mieter in den sozialen Medien mit den richtigen Inhalten auf Augenhöhe zu kommunizieren?“ Dafür sind alle Mitarbeiter im Unternehmen zu sensibilisieren, das entsprechende Know-how aufzubauen und die bestehenden (Vermarktungs-) Prozesse neu auszurichten.
  2. Damit dies gelingt, braucht es eine klare Strategie, welche in die Unternehmens- oder zumindest in die Vermarktungsstrategie eingebunden ist, mit realistischen Zielen und einer langfristigen Verpflichtung. Wir empfehlen, alle Mitarbeiter in die Entwicklung der Social Media Strategie miteinzubeziehen.
  3. Social Media ist nicht einfach, schnell oder billig. Auch wenn immer wieder vom grossen Erfolg von viralen Kampagnen gesprochen wird, mit Hunderttausenden oder gar Millionen von Likes, Shares oder Followern. Die Früchte hängen, nach unserer Erfahrung in der Schweiz und besonders in der Immobilienbranche, noch viel höher. Ein Schweizer KMU mit mehr als 1‘000 Fans auf ihrer Facebook-Page liegt weit über dem Durchschnitt. Nach unserer nicht vollständigen Stichprobe hat kein Schweizer Immobilienunternehmen mehr als 200 Fans.
  4. Bei den sozialen Medien steht der Kunde im Zentrum, nicht das Produkt. Eigentümer, Bewirtschafter und Vermarkter müssen sich also Fragen: „Was sind relevante Themen für den Mieter/ Käufer?“, „Mit welchen Themen kann ich ihm einen Mehrwert bieten?“, „Wie kann ich diese Themen in Social Media- gerechte Inhalte verpacken?“

Hier stellen sich gerade für Kleinunternehmen und Vermarktungsteams in der Umsetzung die grössten Herausforderungen. Hat das Team, nebst dem Know-how, überhaupt die notwendige Zeit? Ein Ansatz kann sein, dass alle im Vermarktungsteam Beiträge erstellen dürfen, die Themen gemeinsam planen und so die Pflege der Social Media Plattformen ein Teil des Tagesgeschäfts wird. Um diese Prozesse zu vereinfachen, gibt es eine grosse Anzahl Tools oder die Aufgabe wird vollständig oder in Teilen durch eine externe Agentur betreut. Nach unserer Erfahrung fehlt jedoch den meisten Social Media Agenturen das Immobilien-Know-how. Das immodea Smart Content Angebot der Autoren füllt diese Lücke.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Digitalisierungsbarometers. Die Studie ermittelt anhand einer breit angelegten, repräsentativen Erhebung bei den wichtigsten Akteuren der Immobilienbranche in der Schweiz, wie die Auswirkungen der Digitalisierung wahrgenommen werden und welche Auswirkungen für die kommenden Jahre erwartet werden.

Die gesamte Studie können Sie hier beziehen:

 Digitalisierungsbarometer 2016 – Kundenverhalten und Geschäftsmodelle

 Digitalisierungsbarometer 2017 – Digitales Planen und Bauen

Weitereführende Literatur

  • (2015). Facebook: aktive Nutzer Schweiz nach Alter, http://bernetblog.ch/wp-content/ uploads/2015/10/Charts-Schweizer-Facebook-Zahlen-2015-Q3.003.jpg
  • com, social media in real-time, http://www.coupofy.com/social-media-in-realtime/ Nielsen. (2015). Global Trust in Advertising Survey
  • Shoppi Tivoli. (2015). Facebook-Seite, https://www.facebook.com/shoppitivoli/

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