8. Juli 2017

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Hitzetauglich bauen

Hitzetauglich bauen

Nach einigen kühleren Tagen ächzen wir wieder unter einer Hitzewelle. Der Sommer dauert wohl noch zwei Monate. Auch wenn die Tragweite des Klimawandels noch ungewiss ist, gehen die Szenarien davon aus, dass wir mit einer ganzjährigen Erhöhung der Aussentemperatur und einer Zunahme trockener Tage in der wärmeren Jahreszeit rechnen müssen. Heute schon heizen sich Plätze an heissen Sommertagen bis gegen 60 Grad auf. Die Hitzewelle des Rekordsommers von 2003 liess die Sterberate vor allem bei älteren Menschen und in Städten um 7% ansteigen.

In der Vergangenheit hat man lokalen Klimaschutz betrieben, indem man den Ausstoss von Treibhausgasen gesenkt, energieeffizient gebaut und die emissionsarme Mobilität gefördert hat. Das hat zu Dämmmassnahmen à la Minergie und dem Einsatz von Photovoltaik oder Wärmepumpen geführt.

Bisher ist jedoch kaum ersichtlich, dass sich die Gebäude an die künftigen klimatischen Anforderungen anpassen. Gebäudestrukturen, die sich selbst entlüften und kühlen, wie sie früher im mediterranen und arabischen Raume Gang und gäbe waren sind hierzulande noch kaum anzutreffen. Für das künftige Klima dürften die heutigen Heizsysteme eher zu gross und die Kühlsysteme zu klein dimensioniert sein. Gerade in Büroräumen mit einer hohen Personen- und Computerdichte wird das Heizen immer weniger wichtig, während die Kühlung an Bedeutung gewinnt.

Klimaanlagen helfen nicht wirklich weiter, da sie zwar die Innenraumtemperatur senken, die Aussentemperatur jedoch zusätzlich aufheizen. Glas- und Stahlkonstruktionen erhöhen durch ihre Reflexion die Effekte der Sonneneinstrahlung eher als dass sie sie mindern.

Quartierweite Anergienetze, wie sie etwa in der beispielhaften Siedlung Suurstoffi in Rotkreuz entstanden sind, können einen ersten Lösungsansatz darstellen: Die konventionellen Erdsonden, die im Winter mit Wärmepumpen gekoppelt zu Heizzwecken eingesetzt werden, können im Sommer ihre Funktion umkehren. Sie wirken nun als Kühlaggregate, speisen damit Kühldecken oder funktionieren Bodenheizungen in Kühlelemente um und führen die überschüssige Wärme ins Erdreich ab. Dort steht sie dann im nächsten Winter wieder zur Verfügung.

Die Besiedlung spielt bei der Temperaturregulierung eine wichtige Rolle: über einer Stadt oder nur schon einer Siedlung ist die Lufttemperatur rund 5 Grad höher als über einer begrünten Fläche. Den Unterschied machen die Bodenversiegelung und die Gebäude aus.

Ein einziger Baum erbringt die Kühlleistung von fünf kompakten Klimaanlagen! Auch die übrige Bodenvegetation hat eine kühlende Wirkung. Eine Grünanlage klimatisiert nicht nur ihren unmittelbaren Standort. Die Wirkung eines grösseren Stadtparkes umfasst auch einige hundert Meter der angrenzenden Umgebung. Mehr aber auch nicht. Die Wirkung solcher grüner Inseln ist damit trotz allem limitiert.

Um die menschlichen Behaglichkeit zu steigern sind Massnahmen notwendig. Es braucht weniger versiegelte Fläche, mehr schattenspendende Bäume, Begrünung von Dächern und Fassaden. Bei Neubauprojekten ist der Luftzirkulation und der Beschattung mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die traditionell vernachlässigte Schnittstelle zwischen dem Gebäude und dem Aussenraum muss mehr Beachtung finden. Stadtwälder erzeugen kalte Luft und häufig auch eine Thermik, die Kaltluft in den Stadtraum einströmen lässt. Wichtig sind aber auch städtebauliche Massnahmen, welche diese Kühlinseln miteinander vernetzen. Sogenannte Ventilationskorridore ermöglichen den  Luftaustausch zwischen Quartieren und senken im Sommer die Temperatur und im Winter die Feinstaubbelastung.

Rotterdam, Kopenhagen, Stockholm oder auch Karlsruhe und Essen  sind Vorreiter auf dem Weg zu sogenannten klimaoptimierten Städten. In der Schweiz ist Sion mit dem Projekt „AcclimataSion“ vor kurzem aktiv geworden und fördert den Ausbau der grünen und blauen Infrastruktur. Ins Baureglement wurden neue Pflichtanteile für unversiegelte Flächen und Mindestquoten für die Bepflanzung offener Flächen aufgenommen. Diese Aufwertung optimieren nicht nur das städtische Klima sondern auch die Aufenthaltsqualität für die Menschen. Der klimagerechte Umbau von Städten dient damit nicht nur der Temperaturoptimierung sondern führt auch zu einer Aufwertung und Belebung des Stadtraumes.

Dieser Artikel erschien am 8.7.2017 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung.

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Kommentare

2 Kommentare

Thomas Müller

16. Juli 2017

Einen weiteren sehr guten Ansatz zum hitzetauglichen bauen verfolgt der Italienische Architekt Stefano Boeri. Er hat in Mailand zwei Hochhäuser gebaut, die voll von Bäumen und Sträuchern sind. Die grünen Wohnblöcke bieten nicht nur Vögeln einen Lebensraum, sondern verbessern auch das Klima in den Wohnungen. 900 Bäume, 5000 Büsche und 11'000 Pflanzen wurden bei beiden Wohnhäusern gepflanzt. Im Sommer bieten die Bäume zusätzlichen Schatten. Im Winter, wenn die Bäume keine Blätter tragen, kommt dennoch genug Sonnenlicht durch. Die Bäume kosteten ca. 5% der Bausumme. Wären alle Bäume auf der Wiese gepflanzt worden, wäre dafür eine Fläche von ungefähr 7'000 m2 nötig gewesen. Ist doch ein toller Ansatz, wäre schön, wenn es in der Zentralschweiz auch ein solches Klimahochhaus geben würde. Thomas Müller, MAS REM VALUATION

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Markus Schmidiger

16. Juli 2017

Hallo Herr Müller. Der "Bosch Vertikale" in Mailand ist tatsächlich ein interessantes Beispiel. Ähnliche Konzepte gibt es bereits auch in Asien. In der Schweiz ist auf dem Suurstoffi Areal in Rotkreuz mit dem Hochhaus "Aglaya" (https://www.aglaya-rotkreuz.ch) ein vergleichbares Projekt in Planung, bzw. schon bald im Bau.

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