27. Mai 2017

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Das Haus wird zum Kraftwerk

Das Haus wird zum Kraftwerk

Die Energiewende ist beschlossene Sache. Erneuerbare Energien sollen massiv ausgebaut werden. Das macht nicht nur ökologisch Sinn. Auch volkswirtschaftlich und politisch ist der Verzicht auf fossile Energie weise: wir müssen nicht mehr massive Geldbeträge an Potentatenstaaten überweisen, deren Politik unseren Interessen teilweise diametral zuwider läuft.

Eigentlich hat die Welt gar kein Energieproblem. Energie ist sogar die einzige Ressource, die uns im Überfluss zur Verfügung steht: Der weltweite Energieverbrauch entspricht etwa  0.007% der gesamten durch die Sonneneinstrahlung auf die Welt fallenden Energiemenge. Die grosse Frage ist allerdings, wie diese Energie in Nutzenergie umgewandelt, dorthin gebracht wo sie gebraucht wird und gespeichert werden kann.

Die Leistungen von Solarpanels steigen laufend, während die Preise massiv sinken. Das deutsche Fraunhofer Institut geht davon aus, dass solar erzeugte Elektrizität bis 2050 max. 2 Cent/kWh, also weniger als ein Drittel von heute kosten wird. Da ähnliches auch für andere Formen der regenerativen Energieerzeugung gilt, ist davon auszugehen, dass elektrische Energie in 30-40 Jahren praktisch unbeschränkt und zu sehr tiefen Preisen zur Verfügung stehen kann, insbesondere, da sich parallel dazu auch die Speichertechnologien weiterentwickeln und vergünstigen.

Immobilien spielen eine gewichtige Rolle in der Energiediskussion: über 40% des Energieverbrauchs in der Schweiz gehen auf Immobilien zurück. Die Dämm-  und Energievorschriften wurden folgerichtig in den letzten Jahren laufend verschärft. Aber auch Technologien zur Energieerzeugung und Verbrauchsreduzierung entwickeln sich laufend weiter.

In Brütten steht seit kurzem das erste energieautarke Mehrfamilienhaus der Schweiz. Es bezieht seinen kompletten Energiebedarf aus der Sonne und verfügt weder über einen Stromnetzanschluss noch andere Energiequellen wie Öl oder Gas. Damit wird nicht nur geheizt. Auch die Energie für die Haushaltgeräte sowie für zwei Elektroautos wird selbständig erzeugt.

Sowohl Dach als auch Fassade bestehen aus Fotovoltaikzellen, so dass eine Stunde Strom pro Tag reicht, um den gesamten Energiebedarf der Bewohner abzudecken. Das Speicherproblem wird vielfältig gelöst: kurzfristig wird überschüssige Energie in Batterien gespeichert, zum Saisonausgleich wird im Sommer Wasserstoff produziert, mit dem im Winter über Brennstoffzellen wieder Strom erzeugt wird.

Durch ausgeklügelte Wärmedämmung, effiziente Haushaltgeräte und den Einsatz modernster LED-Technologie wird der Energieverbrauch so weit wie heute möglich minimiert. Die rund 10% Zusatzkosten des Hauses amortisieren sich somit von selbst.

Verschiedene Komponenten sind auch andernorts schon im Einsatz, teilweise in wesentlich grösserem Massstab. Das neu entwickelte Quartier Suurstoffi in Rotkreuz etwa verfügt über ein sogenanntes Anergienetz, mit dem im Sommer überschüssige Wärme gespeichert und im Winter wieder abgerufen werden kann. Die Optimierung auf Quartierebene ist doppelt interessant: Büro- und Wohngebäude haben zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten sehr unterschiedlichen Elektrizitäts-, Wärme- und Kältebedarf. Daraus ergeben sich mit Anergienetzen interessante Synergiepotenziale. Dank dem Einsatz intelligenter Technik wird das Quartier ohne CO2-Emmissionen und schadstofffrei betrieben.

Mit den neuen Möglichkeiten des „Internet of Things“ können Geräte miteinander vernetzt werden. Damit können sie sich selbst und vorausschauend steuern. Es gibt bereits erste Haussteuerungen, die sich selbstlernend an das Nutzerverhalten anpassen. In Kombination mit dem automatischen Abgleich mit der Wettervorhersage wird damit eine vorausschauende Temperaturführung mit maximaler Energieeinsparung möglich.

Erste modulare sogenannte „Aktivhäuser“ fast ausschliesslich aus Holz und reziklierbaren Materialien kommen auf den Markt. Dank computerisierter Planung und industrieller Fertigung können Kosten und Bauzeit gegenüber heute deutlich reduziert werden. Integrierte Solarpanels sowohl auf dem Dach als auch in der Fassade liefern mehr Strom als das Haus selbst braucht. Das Vorzeigehaus in Brütten wird nicht lange ein Solitär bleiben.

Damit zeigt sich aber auch, dass die am letzten Wochenende angenommene Energievorlage ein ordnungspolitischer Sündenfall ist. Zusätzliche Subventionen wären kaum notwendig. Bei dezentraler Energieerzeugung rücken die Fragen der Netzstabilität, des Lastausgleichs, der Speicherung und der Spitzenabdeckungen ins Zentrum. Die Energiepolitik muss sich diesen Gegebenheiten anpassen, die grossen Energieversorger und Netzbetreiber müssen sich neu erfinden. Dieser Schritt wird schwieriger, schmerzhafter, aber wesentlich wichtiger als das Geldverteilen vom letzten Wochenende. Hoffen wir, dass Politik und Volk auch bei diesen Schritten noch mit gleichviel Enthusiasmus bei der Sache sind.

Dieser Artikel erschien am 27.5.201 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung.

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