4. März 2017

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Welche Zukunft schafft die «Null Fehler»-Gesellschaft?

Welche Zukunft schafft die «Null Fehler»-Gesellschaft?

Im Februar wurde der Bebauungsplan Unterfeld zwischen Zug und Baar vom Volk abgelehnt. In einem Kanton mit chronischer Wohnungsknappheit werden somit rund 700 Wohnungen, davon rund 450 preisgünstige, nicht gebaut werden.

In einem Punkt sind sich alle einig: Um die Qualität unserer Landschaft zu erhalten ist Verdichtung ein Gebot der Stunde. Wenn es aber um die Umsetzung geht, sieht es anders aus: Konkrete Projekte werden abgelehnt. Überall sonst, aber nicht bei uns, ist die Devise.

Das Unterfeld war ein mutiges Projekt: grosse Freiflächen, ein See, markante Hochhäuser mit landschonender Verdichtung. Wie immer kann über architektonische Qualität, Nutzungskonzept, Einbezug der Bevölkerung und weiteres lange diskutiert werden. Nicht desto trotz reiht sich dieser Volksentscheid nahtlos in die vielen weiteren bewahrenden, verhindernden, von Veränderungsangst geprägten Entscheide der letzten Zeit ein.

Diese Zeilen schreibe ich in Dubai. Der Unterschied zur Schweiz könnte kaum grösser sein. Nicht allein wegen Sonne, Wärme, Meer und Wolkenkratzern. Was auffällt ist die völlig unterschiedliche Haltung gegenüber der Zukunft. Das Land ist sich bewusst, dass die Ölreserven als Quelle des Reichtums ab 2040 versiegen werden. Es ist daran, sich neu zu erfinden.  Anders als bei uns ist die Herangehensweise nicht von Verlustängsten und Problembewusstsein sondern von Optimismus und einer „if you can dream it, you can do it“-Einstellung geprägt. Zuwenig Strand? Wie wär’s mit künstlichen Inseln im Meer? Die „Palme“ schafft rund 100 km zusätzlichen Sandstrand und Platz für gegen 50’000 Personen. Nicht im ersten Anlauf perfekt, aber die Probleme mit Wasserzirkulation, urbanem Leben etc. werden in jeder neuen Etappe verbessert. Mit ähnlicher Einstellung hat sich das Land innert kürzester Zeit mit den „Free-Zones“ zum wichtigsten Internet-, Medien-, Universitäts-, Finanz- und Forschungszentrum für den Nahen Osten und Afrika entwickelt. Ganz zu schweigen von der globalen Ausstrahlung als Tourismus- und Shopping-Destination. Ähnliche Dynamik finden wir auch in Orten wie Singapur, Bangalore, New Delhi, Boston, San Francisco.

Dass sich unsere viel weiter entwickelte, sehr wohlhabende Gesellschaft nicht mit dem gleichen Enthusiasmus und der gleichen Energie in neue – vielleicht auch grössenwahnsinnige – Projekte stürzt ist verständlich. Dass eine immer älter werdende Gesellschaft es etwas gemächlicher angeht und Neuem skeptischer gegenübersteht ist nachvollziehbar. Die Illusion allerdings, dass alles gleich bleibt, wenn wir nichts verändern ist verführerisch, aber leider falsch.

Die Welt ausserhalb Europas wandelt sich rasant. Die Schweiz ist mit ihren aktuellen Stärken hervorragend aufgestellt um im Rahmen der weltweiten Megatrends „Digitalisierung“, „wissensbasierte Gesellschaft“, „nachhaltigem Wirtschaften“, „umfassender, lebenslanger Ausbildung“ die Nase ganz vorne zu haben.  Darauf liesse sich vieles aufbauen.

Welche Zukunftsvisionen dafür haben wir? Wie sieht die Schweizer Finanzwelt nach der Abschaffung des Bankgeheimnisses aus? Wie können wir unsere tolle Lebensqualität, Sicherheit und Wirtschaftsattraktivität einsetzen, um die besten und klügsten Köpfe hierhin zu ziehen? Wie bringen wir zehn Millionen Menschen in einer lebenswerten Schweiz unter? Darauf Antworten zu finden wäre die primäre Aufgabe der Politik. Diese kümmert sich häufig lieber um die weiter Detailregulierung von Bestehendem, um beim eigenen Wählerklientel den Anschein zu erwecken, man mache etwas für sie.

Muhamad Ali’s Motto war: „If your dreams don’t scare you, they are not big enough!“ Richtig Angst vor unseren Träumen sollten wir aber dann haben, wenn sie darauf zusammengeschrumpft sind, ja nichts zu verändern und nichts falsch zu machen. Denn dann verlieren wir uns in Regulierungen der kleinsten Details des Ist-Zustandes, zerstören mit grossen Compliance-Abteilungen und Behördenstäben die Produktivität und würgen im Bestreben, es jedem Recht zu machen und keine Risiken einzugehen, Innovationen ab.

Es ist zu einfach, nur auf „die Politik“ zu schimpfen. Fangen wir bei uns an: Wählen wir nächstes Mal die Politiker, welche die Dynamik der Angst befeuern, oder die, die uns Mut zum Aufbruch machen? Wie weit ist unternehmerischer Spirit die Leitlinie unseres eigenen Handelns?

Wo wären wir heute, wenn unsere Grosseltern vor 50 oder 100 Jahren beschlossen hätten, dass die Schweiz, so wie sie damals war, die beste aller möglichen Welten darstellte und nichts mehr geändert werden sollte? Wie dankbar werden uns unsere Grosskinder sein, wenn wir heute genau das machen?

Dieser Artikel erschien am 4.3.201 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung.

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