3. Dezember 2016

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Wie wir uns die nächste Immobilienkrise basteln

Haus-GeldDie Preise für Wohneigentum kannten in der Schweiz in den letzten 20 Jahren nur eine Richtung: nach oben. Wer damals gekauft hatte, wohnt heute fast gratis. Für Neukäufer ist der Traum vom Wohneigentum aber häufig ausgeträumt. Auch wenn das Wunschobjekt mit den aktuell tiefen Zinsen für viele theoretisch finanzierbar wäre, spielen die Banken mit ihren Tragbarkeitsrechnungen in vielen Fällen Spielverderber. Die Raiffeisenbank möchte dem nun abhelfen und schlägt vor, dass der Zinssatz für die Tragbarkeitsrechnung von 5% auf 3% gesenkt wird und so Wohneigentum wieder für mehr Leute zugänglich wird. Wirklich eine gute Idee?

Blenden wir ein paar Jahre zurück: Die Lehman-Pleite markierte vor bald zehn Jahren den Ausbruch der globalen Finanzkrise. Banken wurden in ihren Grundfesten erschüttert. Die UBS musste, wie weltweit verschiedene Institutionen, vom Staat gerettet werden. Die Krise griff auf die Realwirtschaft über. Die Folgen spüren wir noch heute: überbordende Staatsverschuldung, Negativzinsen und darauf basierend explodierende Preise von Immobilien und weiteren vermeintlich sicheren Anlagen.

Basis der ganzen Malaise war ein Wohneigentumsförderungsprogramm, das Präsident Clinton ins Leben rief. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem die beiden grossen staatlichen Hypothekenfinanzierer angewiesen, Hypotheken auch für „Schwellenhaushalte“ zu finanzieren. Die Immobilienunternehmer und Finanzdienstleister witterten ihre Chancen und in kurzer Zeit wurde ein grandioses Schneeballsystem aufgebaut, mit dem Immobilien in ganz USA an Personen verkauft wurden, die weder über Eigenmittel noch ein stabiles, ausreichendes Einkommen verfügten. Die Hypotheken wurden gebündelt und dem ahnungslosen Publikum verkauft. Mit dem abflachen des Preiswachstums häuften sich die Zahlungsausfälle. Die globale Finanzkrise kam ins Rollen.

In der Folge fielen auch die Hauspreise drastisch: In den USA teilweise um über 50%, aber auch in Europa um teilweise 30-40%. Weil damit auch ein massiver Kaufkraftverlust der Privathaushalte verbunden war (und die Staaten lieber mit weiterem billigem Geld statt den notwendigen Strukturreformen reagierten), haben sich viele dieser Länder bis heute nicht vollständig davon erholt.

Die Nationalbank muss sich aufgrund des Aufwertungsdruckes auf den Schweizer Franken entscheiden, ob sie einen hohen Franken zulassen und damit die Exportindustrie abwürgen und Arbeitsplätze vernichten soll, oder aber mit Negativzinsen den Franken einigermassen tief halten und im Gegenzug den Immobilienmarkt weiter befeuern will. Richtigerweise hat sie sich für den möglichst weitgehenden Erhalt von Arbeitsplätzen entschieden. Damit ist es den Marktakteuren (und hier insbesondere den Banken) überlassen, den Immobilienmarkt in die richtigen Bahnen zu lenken. Mit den vor rund einem Jahr eingeführten Selbstregulierungsmassnahmen haben sie stark zu einer sanften Landung beigetragen: die Preise sind stabil, bzw. teilweise sogar rückläufig. Die dabei beschlossenen Regeln zur Tragbarkeitsberechnung sollen nun mit der Forderung der Raiffeisen-Gruppe aufgeweicht werden.

Was würde passieren, wenn die Tragbarkeitsberechnung gelockert würde? Logischerweise würden sich mehr Leute als bisher überhaupt Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser leisten können. Andere könnten sich ein schöneres, grösseres, teureres Heim leisten. Diese steigende Nachfrage würde über kurz oder lang dazu führen, dass auch die Preise wieder steigen. Die Preissteigerung lässt sich schwer beziffern, aber ein Anstieg um 10-20% scheint durchaus plausibel. Wenn die Anbieter merken, dass die Nachfrage steigt, kann der Preis sehr kurzfristig steigen. Gewinner dieser Situation wären die heutigen Wohnungs- und Landbesitzer sowie die Immobilienbranche.

Der Käufer wäre zwar nun stolzer Immobilieneigentümer, müsste seine Wohnung aber entsprechend teurer kaufen. Seine effektive Belastung aufgrund von Hypothekarzinsen und Amortisationen würde um diese 10-20% höher ausfallen zudem wäre er um 10-20% höher verschuldet. Die Tragbarkeitsrechnung dient auch dazu, die Auswirkungen einer allfälligen künftigen Zinserhöhung abzufedern. Die Banken zwingen dem Käufer eine gewisse Vorsicht auf. Bei einem allfälligen Zinsanstieg oder einer Marktkorrektur hätte er damit weniger Reserven und könnte schneller zu einem Notverkauf seines Objektes gezwungen sein.

Der Vorschlag verkommt damit zu einem veritablen Schildbürgerstreich: Kurzfristig würde er zwar den einen oder anderen Immobilienkäufer glücklich machen. Mittelfristig würde er zu einem weiteren Anstieg der Immobilienpreise und der Hypothekarverschuldung der Schweizer beitragen. Langfristig würde er dazu führen, dass bei der früher oder später zu erwartenden Korrektur die Fallhöhe entsprechend höher wird. Anstelle der momentan zu beobachtenden sanften Landung könnte uns dementsprechend in ein paar Jahren eine veritable Immobilienkrise ins Haus stehen. Was dann passiert, konnten wir in den 1990er Jahren in der Schweiz und in den letzten zehn Jahren weltweit beobachten. Es ist nicht notwendig, alte Fehler zu wiederholen.

Dieser Artikel erschien am 3.12.2016 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung.

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Kommentare

2 Kommentare

Michael Gök

8. Februar 2017

Ich sehe das genauso wie mein Vorredner. Ein sehr spannender Artikel...

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Thomas Müller, MAS REM Valuation

12. Dezember 2016

Spannende Sache, die Eintrittsschwelle auf 3-4% zu senken. Da reiben sich die Immobilienhändler kurzfristig die Hände und der stockende Immobilienmotor kommt wieder in Fahrt. Liebe Banken, die Eintrittsschwelle von 5% ist so eine Sache, jedoch wird vielfach noch die Amortisation und Unterhalt von 1% draufgerechnet. Wenn nun dieser Ansatz bei den neuen Immobilien halbiert würde, könnten sicher wieder mehr Hypotheken verkauft werden. Jedenfalls würde die Finma nicht intervenieren und die Selbstregulierende Massnahme würde nicht verletzt. Ebenso würden die Immobilien kurzfristig nicht allzu stark steigen!

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