4. Juni 2016

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Teilen statt besitzen: werden wir alle Unternehmer?

Teilen statt besitzen: werden wir alle Unternehmer?

Uber und AirBnB versetzen etablierte Branchen in Aufruhr. Die «Ökonomie des Teilens» erlebt derzeit einen ungeahnten Aufschwung und verfügt über das Potenzial ganze Branchen zu revolutionieren. Es entwickeln sich laufend neue Plattformen, welche das Teilen als ihr Geschäftsmodell verstehen und traditionellen Unternehmen Sorgen bereiten. Trotz einiger Paradebeispiele sind längst nicht alle Sharing Plattformen erfolgreich. Zahlreiche rechtliche Fragen zur Sharing Economy blieben bis heute ungeklärt.

Teilen ist nichts Neues. Früher wurden lebensnotwendige Dinge im Kreise der Familie oder der Dorfgemeinschaft geteilt. Das Teilen bildet ein Fundament des menschlichen Zusammenlebens. Die mobile Internetnutzung, die dadurch sinkenden Transaktions- und Informationskosten sowie die Ausdehnung der geografischen Reichweite verleihen der Sharing Economy in der heutigen Zeit aber besonderen Auftrieb.  2015 erzielte die globale Sharing Economy einen Umsatz von 15 Mrd. Dollar. Für die kommenden fünf Jahre wird ein Wachstum von 25-30% pro Jahr erwartet.

Die «Marktplätze» der Sharing Economy bringen Anbieter und Nachfrager von nicht oder zweitweise nicht genutzten Ressourcen über das Internet zusammen. Im Gegensatz zur klassischen Ökonomie werden die Güter und Dienstleistungen meist nicht von Unternehmen den Erwerbenden zur dauerhaften Nutzung angeboten, sondern Private bieten Güter und Dienstleistungen zur vorübergehenden Nutzung an. Markttransparenz wird geschaffen, Informationsasymmetrien werden abgebaut,

Weltweit ist eine Euphorie unter dem Stichwort „teilen statt besitzen“ festzustellen. Man glaubt, dass mit diesem neuen Trend der Umwelt geholfen wird, Ressourcen schonender eingesetzt werden und Personen nun altruistisch alles miteinander teilen. Die Realität ist wie häufig ein wenig komplizierter.

Von den altruistischen, dem Teilen im ursprünglichen Sinne verpflichteten Modelle konnten sich  nur wenige durchsetzen. Das idealistische Modell „Couchsurfing“, bei dem Menschen Reisende gratis bei sich übernachten liessen ist mittlerweile durch AirBnB, das den Übernachtungsanbietern gute Gewinne verspricht, praktisch verdrängt worden. Auch Nachbarschafts-Teilbörsen laufen mehr schlecht als recht. Durchgesetzt haben sich Konzepte, welche klassischen ökonomischen Prinzipien folgen.

Häufig stellen sie das Prinzip der Markttransparenz und Transaktionskostenreduzierung in den Vordergrund. Ältere Sharing-Modelle wie etwa Mobility Carsharing verfügen noch über eigene Produktionsmittel. Mehr und mehr entstehen jedoch reine Plattformen, auf denen Private oder Firmen ihre Leistungen anbieten. Die Plattform übernimmt ausschliesslich eine Vermittlungsfunktion. Solche Modelle können mit wenig Kapital schnell weltweit wachsen und Märkte schnell verändern. Sie öffnen Märkte für Privatanbieter. Diese verfügen über anderen Kostenstrukturen und unterliegen teilweise weniger Regulierungen als die professionellen Anbieter. Somit können sie ihre Leistung wesentlich günstiger erbringen. (Uber Fahrer müssen weder eine Ruhezeitverordnung einhalten, noch Lizenzen erwerben. Auch zahlen sie häufig weder Mehrwert- noch Einkommenssteuer oder Sozialabgaben. Auch AirBnB-Anbieter unterliegen wesentlich weniger Regulierungen und Abgaben, als normale Hotels).

Viele Sharing Economy Plattformen preisen ihren ökologischen Beitrag. Die Vorteile scheinen klar: Der entstehende «Sekundärmarkt» reduziert die Nachfrage nach neuen Gütern und trägt somit zu einer Reduktion der Umweltbelastung bei. Es gibt aber auch Studien, welche das Gegenteil beweisen. Da das Reisen, bzw. das Übernachten durch Plattformen wie AirBnB günstiger werde, würde schliesslich einfach mehr gereist. Dies führt dann wieder zu einer höheren Umweltbelastung.

Von Seiten der klassischen Wirtschaft wird der zerstörerische Aspekt betont, welcher vor allem auf dem „race to the bottom“ Effekt basiert: immer mehr semi-professionelle Anbieter mit tiefer Kostenstruktur und wenig staatlichen Auflagen treiben die Preise immer tiefer, bis für den professionellen Anbieter kein Gewinn mehr realisierbar wird. Themen wie (Selbst-) Ausbeutung und staatliche Regulatorien geraten dadurch stärker in den Fokus der Diskussion.

Einheitliche Regeln für die Unternehmen der Sharing Economy und die klassische Ökonomie stellen grosse Herausforderungen dar. Viele Sharing Economy-Plattformen überleben auch, weil sie sich nicht an die gleichen Regeln halten (müssen) wie die traditionellen Anbieter. Dennoch muss es Ziel des Wettbewerbsrechts sein, einen fairen Wettbewerb für alle Marktakteure zu schaffen, auch wenn dies den Sharing Economy Anbietern nicht gefällt. Leider ist eher damit zu rechnen, dass die Staaten versuchen werden, Regeln, die für traditionelle Firmen gelten auch im Bereich der Sharing Economy durchzusetzen, als dass sie im traditionellen Bereich mit einem Abbau von Vorschriften und Bürokratie reagieren würden.

Sicher ist aber, dass die Bewegung nicht aufzuhalten ist. Viele Privatpersonen werden die Möglichkeit wahrnehmen wollen, sich mit Hilfe von nicht genutzten Ressourcen ein Zubrot zu verdienen. Und für die Konsumenten bietet das Teilen unzweifelhaft Vorteile. Klassische Sharing-Ansätze dürften vor allem im Rahmen von Quartieren oder im Kreise von klar definierten Communities relevant sein und könnten in diesem Kontext einen Aufschwung erleben. Unternehmen, deren Geschäftsmodell primär auf einem Informationsvorsprung oder einer Gatekeeper-Funktion beruht, werden es zunehmend schwierig haben. Es lohnt sich, die strategischen Implikationen detailliert zu untersuchen und das eigene Handeln proaktiv anzupassen.

(Dieser Text erschien am 4.6.2016 in der Neuen Luzerner Zeitung)

Eine ausführlichere Untersuchung des aktuellen «Sharing Economy Marktes» mit Hinweisen auf vertiefende Informationen ist im Rahmen des Digitalisierungsbarometers der Hochschule Luzern publiziert.

Eine Kurzfassung der Studie finden Sie hier.

Die gesamte 450-seitige Studie können Sie zum Preis von CHF 90.00 beziehen unter ifz@hslu.ch

Mit dem Digitalisierungsbarometer hat die Hochschule Luzern im Rahmen einer breit angelegten Studie untersucht, wie verschiedene immobilienwirtschaftliche Akteure – Investoren, Makler, Entwickler, Bewirtschafter und Nutzer – die digitalen Möglichkeiten wahrnehmen und in ihre Strategien und Geschäftsprozesse integrieren. Mit zahlreichen Fallbeispielen kombiniert, eröffnen sich dadurch für viele Akteure spannende Einsichten.

Kommentare

1 Kommentare

Roland B

22. Juni 2016

Zum Thema UBER hane ich folgende Ergänzung: Kategorie X und Black müssen mit einem Fahrtenschreiber ausgerüstet sein sonst gibt es vom Strassenverkehrsamt keine Zulassung und auch keine Chance als Partner für die Plattform tätig zu werden. Und keine Plattform verspricht eine Vollauslastung das bedeutet die Plattformen erhöhen die Auslastung im berufsmässigen Personentransport.

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