5. März 2016

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Die digitale Immobilie

Die digitale Immobilie

Digitalisierung ist das grosse Schlagwort der Stunde. Wenn man einschlägige Publikums- und Fachmedien konsultiert, könnte man zum Schluss kommen, dass es bald weder Makler noch Architekten oder Bauarbeiter brauchen würde. Die Technologie ist schon fast so weit, dass Immobilien von Computern geplant, von Robotern gebaut oder mit 3D-Druckern ausgedruckt und übers Internet vermarktet werden könnten.

Bei Exponenten der Immobilienbranche ist eine grosse Verunsicherung spürbar. Viele Führungskräfte sind der Ansicht, dass sich die Branche tiefgreifend verändern wird und die bestehenden Firmen in Gefahr sind. Wohin die Reise gehen soll, vermögen jedoch die wenigsten zu artikulieren. Kongresse und Konferenzen zum Thema sind ausgebucht.

Tatsächlich hat sich in der Vergangenheit bereits vieles getan. Die Immobilie selbst wurde immer intelligenter. Das Smart-Home kann nicht nur selbständig seinen Energieverbrauch optimieren, sondern auch die Verhaltensmuster der Bewohner erkennen und sich daran orientieren. Ältere Personen können auf vielfältige Hilfsmittel zurückgreifen und im Notfall kann das Haus bei einem Sturz selbständig Hilfe anfordern. Die Internet-Portale haben die Inserateseiten der grossen Zeitungen leergefegt und den Job des Immobilienverkäufers grundlegend umgekrempelt. Broschüren werden nur noch im Einzelfall gedruckt, der Interessent schaut sich die Pläne im Internet an und spaziert virtuell durch die Wohnung, die erst auf dem Plan existiert.

Auch der Planungs- und Bauprozess wurde in den letzten Jahren immer stärker digital integriert. Mittlerweile ist man mit dem sogenannten Building Information Modeling soweit, dass ein dreidimensionales Modell erstellt, der Bauablauf und die spätere Nutzung simuliert und damit vielfältige Planungsfehler eliminiert werden können, bevor mit dem Bau begonnen wird.

Wie kommt es denn, dass wir trotzdem in der Sensationspresse immer wieder von spektakulärem Baupfusch lesen? Oder uns als Bauherr nicht ohne weiteres darauf verlassen können, dass wir ein fehlerfreies Werk genau so wie bestellt geliefert erhalten? Und der Käufer einer Eigentumswohnung bei der Übernahme oft eine lange Mängelliste erstellt und monatelang auf die Erledigung warten muss?

Vielerorts wird vergessen, dass auch im Zeitalter der Digitalisierung Informatikinstrumente eben genau das sind: Instrumente. Probleme lösen sie nur dann, wenn sie in entsprechende Prozesse integriert und von gut ausgebildeten, motivierten Menschen angewendet werden. Hier wurde in den letzten Jahren an den wenigsten Orten grosse Fortschritte gemacht. Im Gegenteil: Die Bauprozesse sind fragmentiert wie eh und je, jeder Handwerker kann die Fehler auf den nächsten abschieben. Und im Personalbereich streben die guten Mitarbeiter in Bürojobs und werden auf den Baustellen durch günstigere, häufig schlechter ausgebildete Mitarbeiter ersetzt.

Untersuchungen zeigen, dass in den letzten Jahren tatsächlich diejenigen Unternehmen, die sich proaktiv mit den Fragen der Digitalisierung auseinandergesetzt haben Marktanteile gewonnen und die Profitabilität erhöht haben. Firmen, die sich wenig mit der Digitalisierung auseinandersetzten haben demgegenüber sowohl bei den Marktanteilen als auch bei der Profitabilität Rückschläge hinnehmen müssen.

Interessant ist die Einstellung der „Digital Leaders“ zum Personal. Mit den digitalen Instrumenten und dem Internet fahren sie nicht etwa primär Kosten herunter und sparen Personal ein. Im Gegenteil: Weder gedenken sie, die Verkaufsmannschaft auszudünnen oder durch Computer und Internet zu ersetzen, noch sparen sie bei der Ausbildung der Mitarbeiter. Der erleichterte Informationszugang für Kunden wird ergänzt mit gezielten Massnahmen zum Beziehungsaufbau und zur Kundenbindung. Damit konnten sie neue Märkte erschliessen, wachsen und ihren Ertrag steigern.

„High Tech und High Touch“ scheint die Erfolgsformel für die Zukunft zu heissen. Wer die digitalen Entwicklungen verschläft, wird nicht überleben. Wer aber meint, das ohne hervorragende Mitarbeiter machen zu können, fällt auf die Nase. Eine beruhigende Nachricht für den Standort Schweiz. Also für uns alle.

(Dieser Artikel erschien am 5.3.2016 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung)

Mit dem Digitalisierungsbarometer hat die Hochschule Luzern im Rahmen einer breit angelegten Studie untersucht, wie verschiedene immobilienwirtschaftliche Akteure – Investoren, Makler, Entwickler, Bewirtschafter und Nutzer – die digitalen Möglichkeiten wahrnehmen und in ihre Strategien und Geschäftsprozesse integrieren. Mit zahlreichen Fallbeispielen kombiniert, eröffnen sich dadurch für viele Akteure spannende Einsichten.

Eine Kurzfassung der Studie finden Sie hier.

Die gesamte 450-seitige Studie können Sie zum Preis von CHF 90.00 beziehen unter ifz@hslu.ch

 

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Kommentare

2 Kommentare

Rainier

7. April 2016

Wenn ich ehrlich bin macht mir diese ganze Technik ein wenig Angst. Wir haben uns mehrere Eigentumswohnungen in Zug angesehen. Die Lage war bei Allen toll, eine stach aber durch diese Digitalisierung hervor. Connect by mobile wurde es genannt. Ich habe ehrlich gesagt nicht viel verstanden. Mein Sohn war dafür umso mehr begeistert

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David

10. März 2016

Guten Abend, das finde ich einen sehr guten Artikel der die Problematik der "Digitalisierung" auf Gedeih und Verderb in jedem Bereich auf den Punkt bringt. So wie bei allen anderen Fortschritten wird meines Erachtens auch hier viel zu wenig Wert auf eine sinnvolle Plan-B Alternative gelegt. Was passiert wenn die Elektronik in einem "digitalisierten" Haus ausfällt insbesondere unter dem Aspekt des demographischen Wandels.

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