21. November 2015

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Wohnen im Alter: Mythos und Realität

Das Thema „Wohnen im Alter“ beschäftig nicht nur viele Städte, Gemeinden und Politiker, sondern auch die Immobilienwirtschaft. Es wird vermutet, dass der Megatrend „Alterung der Gesellschaft“ grosse Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage hat. Unternehmen und Kommunen überlegen, welche Wohnungen heute und in Zukunft gebraucht werden und wie der massiv steigenden Nachfrage in diesem Segment begegnet werden könnte.

NWZ Schoener Wohnen im Alter KopieDas tradierte Bild des gebrechlichen und hilfsbedürftigen älteren Menschen dominiert nach wie vor die Vorstellung vom Wohnen im Alter. Unsere Grosseltern mögen vor 20 bis 30 Jahren noch mit 65 „alt“ und gebrechlich gewesen sein. Dieses Bild entspricht jedoch nicht den heutigen älteren Personen und noch viel weniger den Babyboomern, die das künftige Pensionsalter prägen: Eine selbstbestimmte, freiheitsliebende, individualisierte und körperlich bis ins hohe Alter fitte Generation kommt ins Pensionsalter: Mick Jagger wurde diesen Sommer 72 und ist mit den Rolling Stones gerade auf Südamerika-Tournee!

Wohnen mit Service oder Pflege ist nur ein kleiner Bestandteil von Wohnen im Alter. Selbst von den über 80jährigen leben noch über drei Viertel selbständig in den eigenen vier Wänden. Umfassende Betreuungs- und Servicepakete sind nur für die Minderheit der körperlich oder geistig beeinträchtigten Personen relevant. Die grosse Mehrheit wünscht und nutzt nur sehr wenige der angebotenen Dienstleistungen, bzw. organisiert sich privat. Anstelle breiter Service-Angebote wären Hilfen bei kleinen täglichen Problemen und jemand, mit dem man sich auch mal unterhalten kann gefragt.

Marktakteure, die Wohnen 50+ und ähnliche Leistungen anbieten, haben die Nachfrage nicht verstanden. Ältere Personen wollen nicht als Alte adressiert werden. In der Realität werden auch in Alterswohnungen, die für die Generation 65+ in der Nähe von Alters- oder Pflegezentren gebaut werden, von Personen bezogen, die über 80 sind. Freiheit und Selbstbestimmung gibt man erst auf, wenn es nicht mehr anders geht. Mit dem Thema Pflege befassen sich viele erst dann, wenn es so weit ist.

Die Strategien zum hindernisfreien Wohnangebot konzentrieren sich auf den Neubau. Die grosse Mehrzahl der Wohnungen –insbesondere auch der preisgünstigen Wohnungen – sind jedoch im Bestand. Hier wäre Bedarf für entsprechend Anpassungen und Konzepte. Sowohl bei Verwaltungen als auch Investoren fehlen allerdings weitgehend die Grundlagen für bedürfnisgerechte Strategien.

Dazu kommt, dass sich der Trend bereits in 15 Jahren wendet: Ab dem Jahre 2030 wird die Zahl der neuen Pensionäre wieder abnehmen, die Zahl der über 75 jährigen wird ab 2040 zurückgehen. In Kürze wird es mehr Todesfälle als Geburten geben. Die Bevölkerung wird somit abnehmen, bzw. nur noch dank der Zuwanderung konstant gehalten werden können. All diese Tatsachen gebieten es, den Bedarf nicht primär über den Neubau zu decken, sondern dafür zu sorgen, dass die bestehenden Wohnungen besser genutzt werden können.

Weil Entwickler, Investoren und Verwalter die Lösungen primär im Neubau sehen, kommt den Gemeinden und Städten eine wichtig Rolle zu. Allerdings nicht als Ersteller und Anbieter von Alterswohnungen sondern als Initiator und Koordinator von Know-How und Quartierentwicklungen. Die Kommunen haben ein Interesse daran, dass ältere Einwohner möglichst lange zu Hause bleiben können. Wenn sie sich zu Spezialisten für die Anliegen der älteren Einwohner entwickeln, können sie dafür sorgen, dass die Wohnbautätigkeit sich auf bereits gut erschlossene Standorte konzentriert und die notwendigen Infrastrukturen vorhanden sind. Ebenso können sie zwischen Eigentümern, Verwaltern und vorhandene sozialen Dienstleistern koordinieren und diese unterstützen und lenken. Vielerorts sind die notwendigen Angebote für langes Wohnen zu Hause vorhanden und müssten nur besser gebündelt und koordiniert werden.

Wohnen im Alter wird uns die nächsten 30 Jahre intensiv beschäftigen. Damit die Lösungen jedoch tragfähig, sozial und auch finanzierbar sind, ist ein vertieftes und besseres Verständnis der Zielgruppe notwendig. Diese hat nicht mehr viel mit den alten Bildern in unserem Kopf zu tun.

Die Hochschule Luzern veröffentlicht eine Studie  zu den Wohnbedürfnissen einer zunehmend älteren Gesellschaft und den Implikationen auf die Immobilienbranche.

Am 4. Februar findet die Konferenz  „Demographie und Wohnungswirtschaft“ statt.
Weitere Informationen zur Studie und Anmeldemöglichkeiten für die Konferenz finden Sie auf der Homepage der Hochschule Luzern.

(Dieser Artikel erschien am 21.11.2015 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung)

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