18. Juli 2015

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Sanierungsfalle Stockwerkeigentum

Stockwerkeigentum_2spaltigDas Stockwerkeigentum wurde 1965 in der Schweiz eingeführt und ist eine Erfolgsgeschichte. Es hat das Wohneigentum breiten Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht. Der Anteil an Wohneigentümer ist seit Einführung des Stockwerkeigentums auf rund 40% gestiegen. Die aktuell tiefen Zinsen führen dazu, dass sich noch mehr Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können.

Im Moment stehen vor allem Fragen zur Erschwinglichkeit, Finanzierbarkeit und Tragbarkeit im Fokus. Daneben geht ein wichtiger Aspekt, der viele Stockwerkeigentümer auf dem falschen Fuss erwischen könnte, etwas unter.

Die ersten Stockwerkeigentumshäuser kommen in ein Alter, in dem grosse Sanierungen anstehen. Aber auch bei jüngeren Einheiten stehen die Eigentümer immer wieder vor Fragen, wie sie mit den gemeinschaftlichen Teilen umgehen wollen und welche Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten sie ausführen wollen.

Der Käufer will vor allem die Freiheit in seinen eigenen vier Wänden geniessen und interessiert sich deswegen für seine Wohnung. Dabei vergisst er häufig, dass er daneben ja auch noch das Eigentum und die Verantwortung für die gemeinschaftlichen Teile des Hauses miterworben hat. Den wenigsten Käufern ist bewusst, dass die gemeinschaftlichen Gebäudeteile rund zwei Drittel des gesamten Gebäudewertes ausmachen.

Die Stockwerkeigentümer müssen somit nicht nur die eigene Wohnung im Schuss halten, sondern eben auch dafür sorgen, dass diese gemeinschaftlichen Teile unterhalten und instand gestellt werden. Dafür ist der Erneuerungsfonds vorgesehen, in den alle Stockwerkeigentümer ihr Beiträge zu bezahlen haben. Diese Beiträge können von der STWE-Gemeinschaft festgesetzt werden.

In der Praxis wird oft festgestellt, dass STWE-Gemeinschaften wenig Verständnis für höhere Beiträge haben und Sanierungsmassnahmen öfters aufgrund der Kostenfolgen abgelehnt oder zurückgestellt werden. Verschiedene Untersuchungen haben aufgezeigt, dass der Sanierungsfonds vielerorts bei weitem nicht ausreicht, um das Gebäude tatsächlich im Schuss zu halten. Die Folge davon ist dann entweder ein aufgestauter Unterhaltsbedarf oder aber plötzlich grosse Kostenfolgen, wenn tatsächlich Massnahmen nicht mehr aufgeschoben werden können.

Beim Kauf einer Neubauwohnung ist das Problem für den Käufer weniger virulent, da in den ersten 10-15 Jahren sowieso kaum Sanierungen anfallen. Wenn Sie jedoch eine ältere Wohnung kaufen, dann kann ein mangelhafter Erneuerungsfonds ziemlich kostspielig werden. Interessanterweise ist diese Problematik auch vielen Banken nicht bewusst: die wenigsten überprüfen bei Finanzierungsanfragen systematisch die Höhe des Erneuerungsfonds.

Was sollten Sie nun tun, wenn Sie Besitzer einer STWE-Wohnung sind? Überprüfen Sie den Stand des Erneuerungsfonds und lassen Sie von Ihrem Verwalter eine Planung der anstehenden Massnahmen für die nächsten 10-15 Jahre erstellen. So eine Planung braucht zwar etwas Sachkenntnis, ist aber mit vernünftigem Aufwand machbar. Die Lebensdauer von Gebäudeteilen wie Lift, Dach, Aussenhaut, Fenster, etc. ist bekannt, so dass relativ einfach eine entsprechende Rechnung erstellt werden kann. Ein Vergleich des Erneuerungsfonds mit den Prognosen zu den Sanierungskosten zeigt Ihnen schnell, ob Sie ein Problem haben. Thematisieren Sie das an der STWE-Versammlung und versuchen Sie, zu Lösungen zu kommen.

Wenn Sie eine ältere STWE-Wohnung kaufen, lassen Sie sich unbedingt den Stand des Erneuerungsfonds sowie die Protokolle der letzten Versammlungen geben. Daraus ersehen Sie, wie die Gemeinschaft finanziell da steht und mit anstehenden Massnahmen umgeht. Die eigentlich erforderlichen Erneuerungsrückstellungen kann ihnen ein Immobilienschätzer oder ev. auch Ihr Finanzierungsberater errechnen. Wenn Sie nun eine zu grosse Differenz entdecken, sollten Sie mit dem Verkäufer nochmals über den Preis verhandeln. Als Faustregel kann gelten, dass ca. 0.6-0.7% des Gebäudeversicherungswertes pro Jahr in den Sanierungsfonds eingelegt werden müssten, damit die vollen Sanierungskosten gedeckt werden können. In der Praxis sind häufig Werte von ca. 0.3% zu beobachten.

Die vielen Vorteile und Annehmlichkeiten bringen andererseits auch etwas Verantwortung und Mühe mit sich. Der kleine Aufwand lohnt sich jedoch, damit Sie möglichst lange und nachhaltig Freude an Ihren vier Wänden haben.

Dieser Artikel erschien am 18.7.2015 in der Neuen Luzerner Zeitung.

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Kommentare

1 Kommentare

H. & F. Rövenich GmbH

9. September 2015

Besonders die in den 60er und 70er Jahre schnell hochgezogenen Wohnungsbauten haben ein hohes Sanierungspotenzial. Eine hohe Instandhaltungsrücklage ist wichtig, will man evtl. Sonderumlagen vermeiden.

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