15. März 2014

Archiv

Ist Wohnen wirklich zu teuer?

Kaum ein Thema wird zur Zeit so intensiv und hitzig diskutiert wie die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Wie häufig bei so emotionalen Themen lohnt sich ein genauerer Blick auf die Fakten, um Hinweise auf sinnvolle Lösungsansätze zu gewinnen.

Miete

Im Jahre 2011 gab der durchschnittliche Haushalt in der Schweiz 1’500 Franken pro Monat für Wohnen und Energie aus. Das sind rund 15% des Haushaltseinkommens, weit entfernt von den für die Tragbarkeitsrechnung angenommenen 30%.  Für Verkehr und Unterhaltung gibt der Durchschnittshaushalt etwa gleich viel aus, für Nahrungsmittel (inkl. alkoholische Getränke und Restaurantbesuche) ebenfalls. Zusätzlich ist er in der Lage monatlich ca. 1’200 zu sparen. Im Jahr 2012 kosteten rund 50% aller zur Miete angebotenen Wohnungen weniger als 1’500 im Monat. Aus dieser statistischen Durchschnittsperspektive sieht die Situation somit wenig dramatisch aus.

Eng wird die Situation bei den 20% der Haushalte mit dem tiefsten Einkommen. Diese verdienen im Schnitt Fr. 3’500 (nach staatlichen Transferzahlungen sind es Fr. 4’800) und geben davon 1’061 CHF für Wohnen und Energie aus. Damit bleibt tatsächlich zu wenig zum Leben übrig, zumindest für die 30% dieser Haushalte, die aus mehr als einer Person bestehen. Die übrigen 80% der Haushalte geben zwischen 10% und 21% für Wohnen aus und sind gleichzeitig in der Lage zu sparen.

Ein historischer Vergleich zeigt interessantes: Im Zeitraum zwischen 1910 und 1920 machten die Wohnausgaben etwa 21% der gesamten Konsumausgaben eines Haushaltes aus, heute sind es ca. 24%. Für Nahrungsmittel (ohne auswärts Essen) waren es damals rund 57%, heute noch ca. 13%, dafür sind die Anteile für Verkehr, Unterhaltung etc. massiv gestiegen. Erstaunlich, dass die Wohnkostenbelastung über hundert Jahre fast gleich geblieben ist, obwohl sich der Flächenverbrauch pro Kopf auf rund 50 Quadratmeter mehr als verdoppelt hat!

Nüchtern betrachtet haben wir insbesondere aufgrund der Veränderungen im gesellschaftlichen Zusammenleben, der Bevölkerungsstruktur und des Wohlstandes das Problem, den „richtigen“ Haushalt in die „richtige“ Wohnung zu bringen. Einerseits sind die günstigen Wohnungen oft nicht da, wo sie gebraucht würden, andererseits wir der bestehende Wohnungsbestand nicht effizient genutzt, weil es aufgrund der tieferen Bestandesmieten unattraktiv ist, eine zu gross gewordene Wohnung für den Markt freizugeben.

Zudem stellt sich die Frage, ob das Wohnen per se zu teuer ist, oder ob schlicht die Ansprüche an Grösse und Lage der Wohnungen so hoch geworden sind, dass sie nicht mehr finanzierbar sind. Oder dass nach staatlicher Unterstützung gerufen wird, damit trotzdem nicht auf ein tolles Auto, vier Wochen Ferien und einmal die Woche auswärts Essen verzichten werden muss. Die grundsätzliche Diskussion, inwieweit es ein Bürgerrecht sein soll, sich überrissene Wohnwünsche an einem beliebigen Standort erfüllen zu können, oder ob sich Haushalte an zentraleren Standorten mit weniger Wohnfläche zufrieden geben müssten, wird nicht geführt.

Mit immer neuen Eingriffen soll verhindert werden, dass die Mieten steigen. Die Wohnungsknappheit ist jedoch da am grössten, wo die Marktregulierung am stärksten ist. Genf als die Stadt mit den schärfsten Mieterschutzgesetzen kennt seit Jahrzenten grosse Wohnungsnot, weil durch die Vorschriften sowohl der Bau neuer Wohnungen als auch der Wechsel aus zu gross gewordenen Altbauwohnungen in kleinere unattraktiv wird. In Zürich wird mit der neuen Bauordnung die Ausnützung verkleinert und das Bauen für private unattraktiver gemacht. Dafür werden auf der anderen Seite Genossenschaften massiv gefördert. So verschärft die Politik die Probleme, statt sie zu lösen. Mit dem grossen Vorteil, dass es immer wieder Möglichkeiten gibt, sich öffentlichkeitswirksam als Kämpfer für preisgünstigen Wohnraum zu präsentieren und weitere Subventionen und Regulierungen zu fordern.

Um das Problem nachhaltig zu lösen, dürften zwei Massnahmen speziell geeignet sein: einerseits sollen private Bauherren z.B. über Ausnützungsboni motiviert werden, kleinere und günstigere Wohnungen zu erstellen. Andererseits ist es wesentlich effizienter, gezielt die Haushalte zu unterstützen, die es tatsächlich nötig haben, statt in grossem Mass preisgünstigen staatlichen Wohnraum zu fördern. Basel hat diesen Übergang von der Objekt- zur Subjekthilfe bereits erfolgreich vollzogen. Parallelmärkte, auf denen Wohnungen unter Marktpreisen verteilt werden fördern Misswirtschaft und Korruption, wie die aktuellen Beispiele in Bern und Zürich zeigen.

(Dieser Artikel erschien am 15.3.2014 als Kolumne in der Neuen Luzerner Zeitung)

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:
Entdecken Sie die Welt des Immobilienmanagements und erfahren Sie alles Wissenswerte rund um den MAS Immobilienmanagement und andere Angebote zum Thema Immobilien. Gerne beantworten Ihnen Prof. Dr. Markus Schmidiger oder Prof. Dr. John Davidson vom IFZ Ihre Fragen.

Kommentare

2 Kommentare

LocaBerlin.de

6. Mai 2014

Aus diesem Grund wird in Deutschland ab nächstem Jahr die sogenannte Mietpreisbremse eingeführt, d.h. bei Neuvermietungen darf der Mietzins nicht höher als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen (ausgenommen Erstbezug bei Neubauprojekten) und die Maklercourtage darf nicht mehr auf den Mieter abgewälzt werden. Allerdings befürchtet man hier, dass eventuell weniger gebaut werden könnte, da sich die Bedingungen für Investoren von Immobilien deutlich verschlechtern werden.

Antworten

Top News 1412 | Housing Economist.eu

17. März 2014

[…] blog.hslu.ch […]

Antworten

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.