7. August 2018

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Prof. Dr. Maurice Pedergnana: Das Wachstum des Elefanten

Prof. Dr. Maurice Pedergnana: Das Wachstum des Elefanten

von Prof. Dr. Maurice Pedergnana, Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Die Weltwirtschaft wächst, robust und synchron. Einkaufsmanager sind zufrieden und rapportieren vermehrt Personaleinstellungen, höhere Fertigungszahlen und als Folge auch zunehmende Vorleistungen. Dennoch gibt es Unterschiede. In manchen Regionen der Weltwirtschaft macht man sich aufgrund höherer Rohstoffpreise Sorgen um die Gewinnentwicklung der Unternehmen, in anderen ist bei Fachkräften ein Lohndruck spürbar. Gewisse Regionen setzen sich intensiv mit ihren Vor- und Nachteilen von erhöhten Zöllen und ihrer Rolle in der globalen Lieferkette auseinander.

Eine Wirtschaftsregion tickt anders: der Subkontinent Indien. Das ist kein sprunghafter asiatischer Tigerstaat. Vielmehr steht das Land symbolhaft für den allseits beliebten Elefanten. Der bis zu 5000 Kilogramm schwere Vegetarier braucht schon etwas Zeit, bis er aufsteht und so richtig in die Gänge kommt. Genauso verhält es sich mit der indischen Wirtschaft.

Es hat in den letzten Jahren einiges an Anstrengungen gebraucht, um nur schon ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 1500 Franken jährlich zu erzielen. Nun geht es jedoch schneller, in allen Sektoren. Haupttreiber dafür ist eine junge, gebildete Gesellschaft. 50 Prozent der Inderinnen und Inder sind nicht mal 28 Jahre alt, im Durchschnitt gut geschult und hungrig, an der wachsenden Wirtschaft zu partizipieren. Bekannt ist bei uns, mit welchem Tempo die indischen IT-Unternehmen in den letzten zehn Jahren gewachsen sind. Heute sind in Bangalore und Hyderabad Hunderttausende in kompetitive Dienstleistungsbetriebe integriert. Sie selbst beziehen Lohn und wickeln Bankgeschäfte online ab. Die führenden Banken eröffnen hier seit zwei Jahrzehnten zwischen zehn und zwanzig Filialen pro Monat, um die Beratung kundennah zu erbringen.

Der zusätzliche Schwung kommt vom einzelnen Konsumenten. Mit inzwischen 350 Millionen Smartphones wird das indische Digitalnetz immer enger geflochten. Bei Gebühren von 4G-Kapazitäten zu weniger als 3 Franken monatlich gilt das Telefonieren in Indien weltweit als am günstigsten.

So entsteht auch ein Druck auf die Preise. Vergleichen ist zum Volkssport geworden. Indien ist durch eine einheitliche Mehrwertsteuer zu einem attraktiven Binnenmarkt gewachsen. Im Ranking der Weltbank hat man sich zuletzt gleich um dreissig Ränge verbessert, und es bleibt noch viel Potenzial. Denn es ist die Lernfreude, das Weiterkommen, der Bildungshunger, die Zukunft, die Hoffnung sät. Der Konsum setzt auch Lernen voraus. Procter & Gamble klärt jährlich Millionen von jungen Mädchen über Slipeinlagen und Binden auf, so wie ich in meiner Primarschulzeit durch eine Dentalhygienikerin ans Zähneputzen – mit Elmex – herangeführt wurde. Es sind die Grössenordnungen, die einen überraschen. Aufgrund der vorteilhaften Demografie werden in Indien rund 25 Prozent der globalen Arbeitskräfte des kommenden Jahrzehnts generiert. Rund 40 Millionen Junge wollen jedes Jahr ins Erwerbsleben integriert werden. Deshalb verlagert sich der Regierungsfokus noch mehr auf Bildung, um technisch fähige und begabte Menschen heranzubilden. Allein die klügsten 2,5 Prozent machen schon eine Million Menschen aus. Das ist ein Wissenspool, der von immer mehr Unternehmen angezapft wird.

Kein Wunder, dass Konzerne wie Microsoft, Mastercard und Pepsi seit Jahren und derweil auch Novartis von einem Inder geführt werden. Das werden wir noch vermehrt erleben. Wichtig ist aber, dass Indien global kompetitiv wird. Das wäre gut, um die Weltwirtschaft mit einer weiteren bedeutenden Kraft auszubalancieren.

Die Kolumne von Prof. Dr. Maurice Pedergnana ist in der Luzerner Zeitung erschienen.

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