24. April 2018

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Prof. Dr. Maurice Pedergnana: Verpasste Chancen und vertrauensvolle Zukunft

Prof. Dr. Maurice Pedergnana: Verpasste Chancen und vertrauensvolle Zukunft

von Prof. Dr. Maurice Pedergnana, Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Mit etwas Distanz vom täglichen nervenraubenden Aktienhandel lohnt es sich, in wohltuender Atmosphäre zwischen blühenden «Chriesibäumen» grundsätzliche Gedanken über Geschäftsmodelle vorzunehmen. Dabei dreht sich die Analyse immer wieder um verpasste Chancen und um vertrauenswürdige Perspektiven. Am Beispiel von drei Finanzinstitutionen kann man bestens aufzeigen, dass es weder um Bilanzsumme noch um Mitarbeiterzahl oder um das bilanzierte Kapital geht, um die Zukunftsfähigkeit eines Geschäftsmodells und letztlich den Marktwert zu erklären.

Die erste Unternehmung ist die Zürcher Kantonalbank. Legt man Massstäbe aus der Bewertung der Zuger Kantonalbank (1,8 Milliarden Franken) und der Luzerner Kantonalbank (4,5 Milliarden Franken) zugrunde, entspricht deren Marktwert rund 20 Milliarden Franken. Mit vier breit abgestützten Ertragspfeilern und 5100 Mitarbeitenden schafft sie es, selbst mit schwierigen geldpolitischen Zeiten zurechtzukommen. 90 Prozent des Ergebnisses werden in der Schweiz erwirtschaftet – als erstklassige Anbieterin für komplexe Finanzierungen, anspruchsvolle Anlage- und Vermögensverwaltungslösungen sowie Kapitalmarkttransaktionen. Auch in Krisenzeiten (2008/09), als der Kreditkanal der Grossbanken verschlossen blieb und sich ausländische Banken aus dem Schweizer Finanzierungsgeschäft reflexartig zurückgezogen haben, erwies sich die Zürcher Kantonalbank im Verbund mit den weiteren 23 Kantonalbanken als verlässliche Partnerin selbst für grosse, dreistellige Millionenkredite. In diesem Sinne zeigte sich, dass die Motivation zur Gründung einer Kantonalbank nichts an Aktualität eingebüsst hat.

Die zweite Unternehmung ist die Deutsche Bank. Wie die Zürcher Kantonalbank wurde auch sie im Jahre 1870 gegründet. Dies ebenfalls zum Zwecke der «Bankgeschäfte aller Art». Nur war die Deutsche Bank von Anfang an mit dem Vorteil versehen, dass der Geschäftskreis weit grösser sein sollte, denn es ging um den zehnmal grösseren «deutschen Heimmarkt sowie um die Förderung und Erleichterung von Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und den übrigen europäischen Ländern sowie überseeischen Märkten».

Die Internationalität mag seit 148 Jahren zur DNA der Deutschen Bank zählen. Was aus diesem Potenzial – auch unter der Führung des Schweizers Joe Ackermann – gemacht wurde, ist jämmerlich und beinahe mitleiderregend. Die Bank hat alleine aus der Ära Ackermann zweistellige Milliardenbussen für die Abwicklung von Rechtsfällen stemmen müssen und ist heute mit 97 500 Mitarbeitenden (43 000 allein in Deutschland) nicht wesentlich mehr wert als die Zürcher Kantonalbank! Das Geschäftsmodell erinnert derweil mehr an ein Beschäftigungsprogramm, und die Anliegen der Aktionäre fristen ein kümmerliches Dasein. Die Ertragskraft ist miserabel. Zur Stärkung der Kontrolltätigkeiten wurde vor wenigen Tagen angekündigt, bis Ende des Jahres weitere 400 Leute in der Compliance-Abteilung einzustellen. Das ist offensichtlich nötig. Das kolossale Versagen der Bankleitung, in der stärksten Wirtschaft Europas so inkompetent Bankgeschäfte zu betreiben, zeigte sich zuletzt symbolisch darin, dass sie vor einigen Tagen in einer Routinezahlung «aus Versehen» 28 Milliarden Euro überwiesen hat. Es soll ein «operativer Fehler» gewesen sein …

Die dritte Unternehmung ist die Zuger Gesellschaft Partners Group, die rund 22 Jahre nach der Gründung mit etwas mehr als 1000 Mitarbeitenden leidenschaftlich Privatmarktanlagen im Umfang von 75 Milliarden Franken tätigt. Fast jeden Monat kommt derzeit eine Milliarde dazu. Der Jahresgewinn liegt in der Höhe der Zürcher Kantonalbank, doch die Dynamik des Wachstums ist zweifellos höher und der Geschäftskreis global. Partners Group stellt wachsenden mittelständischen Unternehmen vorzugsweise Beteiligungs- und auch Fremdkapital zur Verfügung, teils in Konkurrenz zu herkömmlichen Banken. Kundengelder werden Partners Group in der Regel mit viel Geduld für zehn Jahre zur Verfügung gestellt, was kurzfristigem Profitdenken keinen Raum lässt, sondern zu selektiver, langfristiger Potenzialerkennung anspornt. Auch Partners Group verfügt über eine Marktkapitalisierung von rund 20 Milliarden Franken.

Wichtige Lehre daraus: Das Vertrauen in eine Gesellschaft und der Wert einer Unternehmung lassen sich nie aus der Anzahl Mitarbeiter ableiten. Dagegen ist die Zukunftsfähigkeit eines Geschäftsmodells essenziell. Die Unterschiede unter Finanzinstituten sind eklatant, und sie verändern sich in einer rasch wandelnden digitalen Zukunft noch viel rascher als bisher.

Die Kolumne von Prof. Dr. Maurice Pedergnana ist in der Luzerner Zeitung am 21. April 2018 erschienen.

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