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Risikomanagement

Risk Management versus «Mensch»

Risk Management versus «Mensch»

von Prof. Dr. Stefan Hunziker, Leiter Competence Center Risk and Compliance Management

Wirtschaftspsychologie Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte zeigen auf, dass Risk Management-Aktivitäten anfällig sind für kognitive und gruppenspezifische Verzerrungen. Entscheidungsträger überschätzen einige Risiken und unterschätzen, wenn nicht sogar übersehen, andere. Welche dieser Verzerrungen müssen Risk Manager und Entscheidungsträger verstehen? Und wie lassen sich diese in der Praxis wirkungsvoll reduzieren? 

Risiken erkennen und beurteilen gehören zu den wichtigsten Aufgaben von Personen, welche sich mit Risk Management im Unternehmen beschäftigen. Durch die Identifikation und Bewertung von möglichen Risiken werden konkrete Handlungsempfehlungen an die Geschäftsleitung abgegeben. Ziel dabei ist es, die Eintrittswahrscheinlichkeit oder den Schaden potenzieller Risiken auf ein Minimum zu reduzieren. Häufig treten jedoch in der Identifikations- sowie Beurteilungsphase «kognitive Stolperfallen» auf, wobei Risiken trotz offensichtlicher Bedrohung ungenügende Aufmerksamkeit erhalten.

Was sind verzerrte Szenarien?

Nebst technischem Know-how muss ein moderner Risk Manager nachvollziehen können, weshalb Menschen auf Risiken überreagieren, währenddessen andere, wichtigere Risiken ignoriert werden. Dieses Verständnis ist für ein effektives Risk Management entscheidend und meist wichtiger als die Anwendung fortgeschrittener Bewertungsmethoden. Kritische Risikobewertungen werden mit unbewussten psychologischen Vorurteilen vorgenommen, wodurch dieser Vorgang selbst zu einem Risiko für das Unternehmen wird. Werden Risiken als mehr oder weniger wahrscheinlich eingestuft, als sie in der Realität tatsächlich sind, so kann dies als Anzeichen einer kognitiven Verzerrung wahrgenommen werden. Verzerrte Szenarien wiederum bringen Entscheidungsträger dazu, ungünstige oder gar fatale Entscheidungen auf Grund von Unsicherheiten zu treffen. Die Anzahl dieser Verzerrungseffekte in der Praxis ist riesig, wird jedoch oftmals trotz grosser Bekanntheit ignoriert.

Welche Strategien gibt es?

Die Verfügbarkeitsheuristik zählt zu den meist verbreiteten kognitiven Verzerrungen. Entscheidungsträger fokussieren sich dabei auf Risiken, die ihnen als Erstes in den Sinn kommen. Beispielswiese können Erfahrungen in einem Risiko-Workshop oder kürzlich in den Medien publizierte Vorfälle von unspektakulären Ereignissen mit hohem Schadenpotenzial ablenken. Unter hyperbolischem Diskontieren versteht man eine Situation, in der sich der Entscheidungsträger zwischen kurzfristigen Vorteilen und langfristigen Zielen entscheiden muss. So werden zum Beispiel risikominimierende Investitionen, welche die Finanzzahlen eines Unternehmens kurzfristig belasten, nicht getätigt. Auch besteht die Gefahr, dass ressourcenbindende Entscheidungen auf Grund der erst später eintretenden Wirkung aufgeschoben werden. Weiter kann die Sichtweise der Mitglieder durch Gruppensituationen wie z. B. Geschäftsleitungssitzungen, in denen Verankerungseffekte sowie Autoritätsvorurteile herrschen, massgebend beeinflusst werden. Nachfolgende Tabelle zeigt Massnahmen auf, die verzerrungsfreie und risikobasierte Entscheide unterstützen:

Wie trifft man die richtigen Entscheidungen? 

Anhand von anonymen Meinungsabfragen zu Beginn von Gruppensitzungen können wahrheitsgetreue Ansichten über Risiken generiert und Verzerrungseffekte minimiert werden. Durch Bestimmung eines kritischen Gegengewichts in der Gruppe können Entscheide ausserdem objektiv hinterfragt werden. Des Weiteren führt der technologische Fortschritt durch die effizientere Datennutzung sowie verbesserten Analysemethoden zu Trenderkennungen, präziseren Risikobewertungen oder zur Nutzung eines umfassenden Frühwarnsystems.

Schlussendlich ist es für ein Unternehmen elementar, psychologische Verzerrungen zu identifizieren und effektiv zu minimieren. Ob diese Verzerrungen im Risk Management überhaupt bestehen, ist zweitrangig. Zentral ist das Verständnis des menschlichen Risikofaktors und erst dann, wenn die Entscheidungsträger die Verzerrungen selber erkennen, können die Gefahren im Unternehmen identifiziert werden. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse können Massnahmen zur Reduzierung dieser Verzerrungen ergriffen werden, wodurch sich die Eintrittswahrscheinlichkeit von Krisen sowie die daraus resultierenden Schäden minimieren lässt.

Den ganzen Artikel finden Sie unter folgendem Link.

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