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Risikomanagement

Erfolgsfaktor Mensch im Enterprise Risk Management – Teil 5: Framing-Effekt

Erfolgsfaktor Mensch im Enterprise Risk Management – Teil 5: Framing-Effekt


von Prof. Dr. Stefan Hunziker, Professor für Enterprise Risk Management und Internal Control, und Marcel Fallegger, Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Fokussiert sich Ihr Unternehmen auf die richtigen Risiken? Und schätzen Ihre Entscheidungsträger diese so ein, wie sie in Wirklichkeit sind? Diese Fragen gehören zum modernen Enterprise Risk Management (ERM). Dessen Aktivitäten sind nämlich anfällig für kognitive und gruppenspezifische Verzerrungseffekte. Welche dieser Verzerrungen Risk Manager verstehen müssen und wie sich diese in der Praxis effektiv reduzieren lassen, diskutiert eine zehnteilige Blogserie.

Entscheidungsträger stützen sich bei Risikoabwägungen oft auf eine Kombination aus Daten, Wissen und Erfahrung. Ob bewusst oder nicht, verlässt sich unser Gehirn dabei auf unbewusste psychologische Vorurteile. Letztere beeinflussen die Risikobeurteilung und haben damit wesentliche Auswirkungen auf die Erstellung und Abschätzung von Risikoszenarien. Verzerrte Szenarien können dazu führen, dass suboptimale oder gar fatale Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden.

In der heutigen VUCA-Welt stellen solche Verzerrungseffekte, wenn sie nicht aktiv gesteuert werden, selbst ein Risiko für Unternehmen dar. Im Rahmen dieser Blogserie stellen wir 10 für das ERM zentrale kognitive und gruppenspezifische Verzerrungen dar. Im fünften Teil geht es um den Framing-Effekt.

Was wird unter dem Framing-Effekt verstanden?
Der Framing-Effekt tritt auf, wenn verschiedenartige Darstellungen einer risikobehafteten Entscheidungssituation – bei gleichbleibender inhaltlicher Aussage – unterschiedliche Entscheidungen hervorrufen. Entscheidungsträger können daher durch entsprechendes «Informationsdesign» bewusst beeinflusst werden. Der Framing-Effekt wird anhand der Einstellung von Entscheidungsträgern gegenüber Verlusten und Gewinnen veranschaulicht. Ein Verlust wird als signifikanter und damit vermeidbarer wahrgenommen als ein äquivalenter Gewinn. Genauso wird ein sicherer Gewinn gegenüber einem wahrscheinlichen und ein wahrscheinlicher Verlust gegenüber einem sicheren Verlust bevorzugt. Allgemein gilt also: Entscheider verhalten sich im Gewinnbereich eher risikoavers und zeigen im Verlustbereich eher risikofreudiges Verhalten.

In der Entscheidungsvorbereitung können Risikoinformationen so aufbereitet werden, dass die positiven oder negativen Aspekte derselben Option hervorgehoben werden. Z. B. könnten den Entscheidungsträgern folgende zwei Optionen unterbreitet werden: Wahl zwischen einem sicheren Ereignis (Gewinnerhöhung um 10 %) oder einem Eingehen eines Risikos (20 % Wahrscheinlichkeit auf Gewinnerhöhung um 50 %, 80 % Wahrscheinlichkeit auf keine Gewinnerhöhung). Die Entscheidungssituation kann verschieden dargestellt werden: Im ersten Fall als sogenanntes «Gewinn-Frame», falls der Risk Manager hervorhebt, dass die Entscheidungsträger mit Sicherheit 10 % mehr Gewinn realisieren können. Beim «Verlust-Frame» würde der Risk Manager zuerst fragen, ob die Entscheidungsträger bereit wären, in 80 % der Fälle auf 10 % Gewinnerhöhung zu verzichten, was mit einer Verlustsituation gleichgesetzt wird. Wenn wir nun das Prinzip der «loss aversion» auf dieses Beispiel übertragen, würden die Entscheider im Falle des «Gewinn-Frames» eher die sichere Variante wählen und im Falle des «Verlust-Frames» mehr Risiko eingehen und die riskantere Option bevorzugen.

Wie lässt sich dem Framing-Effekt entgegenwirken?
Risk Manager können Framing-Effekte bereits reduzieren, indem sie versuchen, den Effekt zu verstehen und zu durchschauen (d. h. die Dinge objektiver zu betrachten und zu präsentieren). Diese Aufgabe ist schwierig, da oftmals Anreize bestehen, durch die Art und Weise der Präsentation andere Menschen oder Entscheide in eine bestimmte Richtung zu lenken. Häufig versuchen z. B. Bereichsleitende, das Management von ihren erfolgreichen Projekten oder Massnahmen zur Risikominderung zu überzeugen, indem sie werben und (selektive) Informationen positiv präsentieren.

Eine weitere Möglichkeit zur Verzerrungsminimierung besteht darin, eine zweite Meinung von einer Person einzuholen, die nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden ist. In den meisten Fällen kann diese (externe) Person die verschiedenen Optionen aus einer neutraleren Perspektive betrachten.

Wo finde ich weitere Informationen zum Framing-Effekt?

  • Kent Baker, H., & Puttonen, V. (2017). Investment Traps Exposed: Navigating Investor Mistakes and Behavioral Biases. Bingley, UK: Emerald Publishing.
  • Memon, A. A., Vrij, A., & Bull, R. (2003). Psychology and Law: Truthfulness, Accuracy and Credibility (2nd Ed.). Chichester: Wiley.
  • Shefrin, H. (2016). Behavioral Risk Management. Managing the Psychology That Drives Decisions and Influences Operational Risk. New York: Palgrave Macmillan.

Eine umfassende Auseinandersetzung mit den wichtigsten Verzerrungseffekten im Risk Management wird zudem im Lehrbuch Enterprise Risk Management – Balancing Risk and Reward von Prof. Dr. Stefan Hunziker im Herbst 2019 bei Springer Gabler erscheinen.

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