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Baukosten in der Energiebranche: Wenn die Betriebswirtschaft plötzlich Kopf steht

Von Prof. Dr. Marco Passardi

Dozent und Projektleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Ausgangslage

Am 1. Januar 2008 ist das Stromversorgungsgesetz (StromVG), welches die Öffnung des Strommarktes in der Schweiz regelt, in Kraft getreten. Dieses regelt unter anderem die Berechnung der Netznutzungstarife. Von besonderem Interesse sind dabei die Regeln für die Festsetzung der anrechenbaren Kapitalkosten der Netzanlagen. Das StromVG legt fest, dass die anrechenbaren Kapitalkosten auf Basis der ursprünglichen Anschaffungs- beziehungsweise Herstellkosten der bestehenden Anlagen ermittelt werden müssen. In der Verordnung zum Stromversorgungsgesetz (StromVV) hat der Bundesrat anschliessend festgelegt, dass als Anschaffungs- bzw. Herstellkosten nur die Baukosten der betreffenden Anlage gelten.

Problematik der Baukosten

Die Problematik der Einschränkung der Anschaffungs- bzw. Herstellkosten auf die Baukosten der Netzanlagen zeigt sich in diesem Zusammenhang insbesondere in folgenden Punkten:

  • Nach dem Kauf von Netzen oder Netzteilen waren die Anschaffungskosten (Kaufpreise) und nicht die Baukosten des Verkäufers die Basis für die Bewertung der Anlagen im internen und externen Rechnungswesen.
  • Die Anschaffungskosten (d.h. der Kaufpreis) müssen nach Massgabe des Regulators (Eidgenössische Elektrizitätskommission [ElCom]) für die Bestimmung der anrechenbaren Kapitalkosten durch die Baukosten der Anlagen ersetzt werden; dies auch dann, wenn die Käufe vor Jahren und insbesondere vor Inkrafttreten des StromVG abgewickelt worden sind sowie wenn eine Anlage mehr als nur einen Vorbesitzer hatte.
  • Für die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) bedeutet diese Bestimmung,
    • dass alle Anlagen zu identifizieren sind, die nicht selbst erstellt wurden
    • dass für diese Anlagen der Erbauer zu identifizieren ist (auch wenn möglicherweise mehrere Handänderungen dazwischen waren)
    • dass vom Erbauer die Baukosten zu erheben sind (notabene allenfalls Jahre nach der Transaktion)
    • dass dabei gemäss aktueller Praxis der ElCom der Erbauer bei der Erhebung der Baukosten zusätzlich zu berücksichtigen hat, ob die bezahlten Baukosten auch aktiviert wurden.
  • Für die Eigentümer von gekauften Netzen oder Netzteilen heisst dies, dass die Verbuchungspraxis und die Dokumentation von Geschäftsvorfällen in der Buchhaltung von unabhängigen Dritten für das eigene Rechnungswesen relevant werden.
  • Die Bestimmung führt weiter dazu, dass beispielsweise auch für OR-Abschlüsse eine allfällige Überbewertung korrigiert werden muss, sofern die Baukosten unter dem Kaufpreis (nach Berücksichtigung der Abschreibungen) liegen.

Es zeigt sich somit – eine problematische Verwendung betriebswirtschaftlicher Begriffe ist für die Entwicklung einer ganzen Branche hinderlich.

Möchten Sie mehr zum Thema erfahren? Den vollständigen Artikel von Prof. Dr. Marco Passardi und lic. rer. pol. Christian Sahli finden Sie hier.

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