17. Juni 2013

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Banking nach der Zinswende. Was, wenn…?

Von Prof. Dr. Martin Spillmann

Alles spricht von Immobilien, Eigenmitteln und Regulierung. Dabei werden Refinanzierungsrisiken durch verändertes Kundenverhalten unterschätzt.

Die offene Variable nach 2008

Vor einigen Jahren verlief die Finanzkrise in drei Schritten:

1)   Falsche Strategien führen zu Verlusten –> zu wenig Kapital
2)   Kunden ziehen Geld ab –> zu wenig Liquidität
3)   Zentralbanken und Behörden helfen –> Steuerzahler haften

Dieses Szenario sollte sich nicht wiederholen. Bankbilanzen wurden aufgestockt. Ebenso reagierten die Behörden. Zwar ist die Haftung der Steuerzahler nie ganz ausgeschlossen, dennoch bewirkt die Regulierung heute, dass Risiken primär von den Investoren getragen werden. Die obigen Szenario-Elemente 1) und 3) sind also adressiert. Doch wie steht es mit Punkt 2), der möglichen Reaktion der Kunden? Diese bleiben eine Unbekannte, und eine gefährliche Szenario-Macht. Denn Banken finanzieren Kredite mit dem Geld von Kunden. Die Kunden müssen mitmachen. Ein umsichtiger Banker wird daher versuchen, mögliche Friktionen vorauszusehen.

Die Bilanz im Tiefzinsumfeld

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Kundengelder bei fallenden Marktzinsen in Kontoanlagen umgeschichtet werden. Dies war jahrelang der Fall. Die meisten Kundengelder liegen heute auf variabel verzinsten Bankkonten. Die Bank muss für diese Gelder wenig zahlen. Doch es fällt ihr auch schwer, das Geld ertragsbringend anzulegen. Da sie den Kunden keine Negativzinsen verrechnen kann, wird die Zinsmarge kleiner und kleiner. Was tun? Sie kann …

1)   die Bilanz ausweiten
2)   riskantere Kredite akzeptieren
3)   in längere Laufzeiten investieren; oder aber
4)   bei gleichen Risiken weniger Gewinn und Eigenmittelrendite akzeptieren

Die Strategien 1), 2) und 3) erlauben der Bank, den Gewinn zu halten. Doch nur die Strategie 4) erlaubt ihr, die Risiken auf gleichem Niveau zu halten. Wie also heute entscheiden? Und was geschieht, wenn die Zentralbanken morgen entscheiden, ihre Nullzinspolitik zu beenden?

2014 folgt auf 1991, nicht auf 2008

Grosse, nicht investierte Vermögen sind heute auf Konten der verwaltenden Bank parkiert. Wenn die Zinsen steigen, fliessen diese Mittel in Geldmarktfonds. Am Ende dürfte ein Zinsanstieg die Kundengelder schmelzen lassen wie die Sonne den Schnee. Im Unterschied zu 2008 geschähe die nicht aus Angst um die Bonität der Banken, sondern einfach, weil Festgelder attraktiver sein werden. Sind dann viele Kundengelder in langfristige Hypotheken investiert, werden Banken mit einer Refinanzierungslücke konfrontiert. So sehr eine Rückkehr zu normalen Zinsen begrüsst würde, so gefährlich ist ein Zinsschock. Kunden würden Bankbilanzen verändern. Banken müssten reagieren. Zinsrisiken, Finanzierungsrisiken und möglicherweise auch eine verschlechterte Bonität der Kreditkunden sind denkbar.
1991 betrugen die Zinsen am Schweizer Geldmarkt 8%, in Deutschland 10% und in England gar 15%. Damals waren Zinsrisiken ein grosses Thema. Aktive Bewirtschaftung der Bilanzen und Fragen des „Asset & Liability Management“ waren extrem populär und wurden gefördert durch neue Technologien und die Verbreitung von Derivaten. Später wurde es ruhig, andere Themen machten Schlagzeilen. Wurde es zu ruhig?

Packen Sie den Fallschirm jetzt

Zu empfehlen sind Risikoanalysen künftiger Bilanzen und Erträge mit mehrjährigem Zeithorizont, wobei insbesondere das Kundenverhalten modelliert werden muss. Handlungsoptionen einer aktiven Bilanzbewirtschaftung sind: eine Produktstrategie für Kundengelder, dezentrale und zentrale Absicherung, eine Eigenmittel- und eine Refinanzierungsstrategie (Pfandbriefe), eine vorausschauende Risikobeurteilung und eine geeignete Buchhaltung, die strategische Massnahmen unterstützt (Hedge Accounting).

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