13. Dezember 2012

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Studie Retail Banking 2020 – Haben die Banken eigentlich verstanden, was Retail heisst?

Von Prof. Dr. Nils Hafner

Angesicht der Antworten der Banken in der aktuell vorliegenden Studie „Retail Banking 2020“ von Ernst & Young und der Universität St. Gallen kann einem Angst und Bange werden. Zwar sind sich die Banken mehrheitlich sicher, dass das Retail Banking auch 2020 noch strategisch interessant und profitabel sein wird. Dies aber vor allem, weil die Befragten an zwei weitere Thesen glauben. Nämlich, dass

1. Keine fremden Konkurrenten die Bühne der Schweiz betreten und

2. Der Preis NICHT das alleinbeherrschende Entscheidungskriterium der schweizerischen Retail Banking Kunden wird.

Und da kann man nach all dem, was wir in den letzten Monaten an Studien, Zahlen und Neugründungen gesehen haben, nur fragen:

„Liebe Banken, wie kommt Ihr drauf?!“

Allein in den letzten Monaten sind verschiedene Hypothekarvermittler, Crowdfunding-Unternehmen und Peer-to-Peer-Lending Unternehmen in der Schweiz gegründet worden (mein Kollege Andreas Dietrich hat davon auf diesem Blog berichtet und wird noch weitere Unternehmen vorstellen). Und die IFZ Retail Banking-Studie 2012 hat es gezeigt: Die Margen sinken dramatisch. Gemäss Aussage von Dr. Pierin Vicenz, CEO von Raiffeisen Schweiz anlässlich der IFZ Retail Banking-Konferenz setzt die Raiffeisenbank weiterhin voll auf Wachstum und nimmt den Margenverlust hin.

Mit genau diesem Weg ist in einer anderen Industrie die Firma ALDI seit langer Zeit sehr erfolgreich. Nämlich im Lebensmittel-Retail. Und nicht umsonst lässt sich diese Branche hervorragend als Beispiel heranziehen. Durch den Druck, den der Eintritt von ALDI in den schweizerischen Markt erzeugt hat, haben Migros und COOP ihre Preise auf Kosten der Marge deutlich angepasst. Ein Ende dieses Effekts ist nicht abzusehen. Aber auch im Lebensmittel-Retail gibt es Möglichkeiten dem Preisdruck zumindest teilweise zu widerstehen. Es geht um die Analyse von Kundenbedürfnissen und eine entsprechende Segmentierung, anhand  derer man auch das Marketing und das Kundenmanagement anpassen kann. Diese These wird in der Studie Retail Banking 2020 von den befragten Banken sogar geteilt: Die Segmentierung nach den heutigen Kriterien hat ausgedient!

Also müssen neue Kriterien gefunden werden. Denn die Produkte im Retail Banking sind austauschbar. Zumindest da, so zeigt die aktuelle Studie auf, sind sich mittlerweile alle Banken einig. Dann können sich Segmentierungskriterien ja nur noch aus dem Verhalten der Kunden und den damit verbundenen Dialogen und Entscheidungen ergeben. Voraussetzung, um diese Kriterien nutzen zu können, ist aber:

1. Man muss sie erfassen. An der damit verbunden Systematik scheitern in der Schweiz zur Zeit alle Retail Banken.

2. Man braucht die Infrastruktur um solche Kriterien tagesaktuell auswerten zu können. Wenn man liest, dass die Postfinance neu sämtliche Auswertungen an der Kundenschnittstelle mit der weltweit führenden Statistiksoftware SAS analysiert und systematisch Verkaufsmöglichkeiten ableitet, sollten sich an und für sich für Manager im Retail Banking neue Handlungsfelder ergeben.

3. Man braucht Mitarbeiter, die mit neuester Technologie in Echtzeit Kunden ansprechen. Wenn man weiss, dass nahezu alle Versicherungen des Landes zur Zeit an iPad gestützten strukturierten Beratungsprozessen arbeiten, um darüber Lebensversicherungen und Hypothekarkredite zu verkaufen, ergeben sich sicher neue Einschätzungen für die Retail Banken.

4. Man muss sich fragen, wie das Kundenerlebnis der Banken heute gestaltet, gemessen und systematisch gesteuert wird. Denn ansonsten sind wir demnächst beim Lebensmittelretail angelangt. Um Ihnen, geschätzter Leser, die Auswirkungen zu verdeutlichen: Ich habe Ihnen ein Foto einer Migrosfiliale beigelegt. Sehen Sie dort einen Berater? Und wenn ja, was macht er?

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