28. August 2013

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Nutzung von Vorsorgegeldern für Wohneigentumsfinanzierung

von Prof. Dr. Yvonne Seiler Zimmermann

Ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern fördert neue Erkenntnisse über die Nutzung von Vorsorgegeldern für Wohneigentum zutage. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten anhand einer Umfrage von 8‘300 Eigentümern, in welchem Ausmass Vorsorgegelder zur Finanzierung von Wohneigentum verwendet werden, wer diese beansprucht und in welcher Form diese Gelder genutzt werden. Weit mehr als die Hälfte der Wohneigenheime – nämlich 58 Prozent – sind mit Vorsorgegeldern finanziert. Die Gelder werden am häufigsten von Paaren mit Kindern in Form eines Vorbezugs aus der 2. Säule beansprucht.

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Der Bund ist seit 1972 verpflichtet, Wohneigentum zu fördern. Konkret soll er den Erwerb für eine breite und jugendliche Bevölkerung mit Familien möglich machen. Ein Förderungsinstrument besteht darin, Vorsorgegelder für die Finanzierung des Eigenheims nutzbar zu machen. Sowohl aus der Säule 3a, in die jeder Vorsorgegelder fürs Alter selbst einzahlen kann, als auch aus der 2. Säule, der beruflichen Pensionskasse, können Beträge für Wohneigentum beansprucht werden.

Bis heute war kaum bekannt, was die Förderung des Bundes bringt, wer Vorsorgegelder zur Finanzierung eines selbstgenutzten Wohneigentums einsetzt und in welcher Form diese Gelder beansprucht werden sowie welche Art von Wohneigentum damit finanziert ist. Gänzlich unbekannt war, welche Rolle neben Vorsorgegeldern, eigenen Ersparnissen und Hypothekarkrediten zusätzliche Finanzierungsquellen wie zum Beispiel Erbschaften, Erbvorbezüge sowie Darlehen von Verwandten und Bekannten bei der Wohneigentumsfinanzierung spielen. Wissenschaftlerinnen des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft schliessen diese Erkenntnislücken. Seit 2011 führen sie in Zusammenarbeit mit 22 Wirtschaftspartnern ein Forschungsprojekt durch. In einem ersten Schritt analysierten sie die im Rahmen einer Umfrage erhobenen Daten von 8‘300 Wohneigentümern.

58 Prozent der Befragten haben für die Finanzierung ihres Wohneigentums auf Vorsorgegelder zurückgegriffen. Von diesen nutzten 24 Prozent nur Mittel aus der individuell angesparten Säule 3a. Mehr als doppelt so viele (49 Prozent) griffen nur auf Mittel aus der 2. Säule zu und 27 Prozent zapften Mittel aus beiden Quellen an. Pro Vorbezüger beträgt die durchschnittlich beanspruchte Summe aus der 2. Säule rund 100‘000 Franken, aus der Säule 3a 53‘000 Franken. Die Vorsorgegelder können die Versicherten auf zweierlei Arten beanspruchen: durch einen Vorbezug oder eine Verpfändung. Bei einem Vorbezug werden Gelder effektiv aus der Kasse rausgenommen und der Rentenbeitrag reduziert sich um die entsprechende Summe zuzüglich Zinseszinsen. Bei einer Verpfändung verbleibt das Geld in der Kasse. Die verpfändete Summe hat nur Auswirkungen auf den Rentenbeitrag, wenn der Nutzer in finanzielle Schwierigkeiten gerät und die Bank den Betrag einfordern muss. Die Mehrheit der Personen, die ihre 2. Säule beanspruchen, wählen den Vorbezug. «Das ist nicht erstaunlich», sagt Projektleiterin Yvonne Seiler Zimmermann von der Hochschule Luzern – Wirtschaft. «Der Vorbezug wird von den Banken direkt als Eigenkapital angerechnet, wodurch Wohneigentum mit weniger eigenem angespartem Vermögen erschwinglich wird.»

Die meisten Personen, die Vorsorgegelder für Wohneigentum nutzen, leben in einer Partnerschaft mit Kindern: der Bezug wird am häufigsten von den Hauptverdienern – also Männern – getätigt. Wenn die erhobenen Daten aber nach Geschlechtern getrennt analysiert werden, zeigt sich, dass die Beanspruchungsquote bei Frauen etwas höher als bei Männern ist.

Beim Kauf des Wohneigentums sind die meisten Vorbezüger der Vorsorgegelder zwischen 35 und 44 Jahre alt. Werden die Altersklassen jedoch getrennt untersucht, sind es eher ältere Personen über 44 Jahre, die von dieser Art der Wohneigentumsförderung profitieren. Betrachtet man die berufliche Stellung der Beansprucher, nutzen Vorsorgegelder vor allem Arbeitnehmende mit Vorgesetztenfunktion, hauptsächlich aus der Handwerkerbranche.

Was bringt die Förderung des Bundes?

Zusätzliche Finanzierungsquellen spielen beim Kauf von Wohnobjekten eine wichtige Rolle. 33 Prozent aller Beansprucher nutzen zusätzlich zu den Vorsorgegeldern Darlehen von Verwandten und Bekannten, Erbschaften, Erbvorbezüge oder Schenkungen. Bei jenen Wohneigentümern, die keine Vorsorgegelder nutzen sind es 43 Prozent, sie nutzen jedoch weniger Darlehen als Erbschaften.

Es ist ein Fakt, dass Wohneigentümer, die Vorsorgegelder beanspruchen, sowohl zum Zeitpunkt des Erwerbs des Eigentums als auch später finanziell schlechter gestellt sind, als jene Eigentümer, die für ihr Heim keine Vorsorgegelder beanspruchen müssen. Zweck der Wohneigentumsförderung ist es aber auch, Personen mit tieferem Einkommen und Vermögen Wohneigentum zu ermöglichen. «Der Bund hat sein Ziel teilweise erreicht», sagt Seiler Zimmermann. «Finanziell schlechter gestellte Personen mit Familien können sich dank der Wohneigentumsförderung mit Vorsorgegeldern eher Wohneigentum leisten als vorher.» Nicht erreicht mit der Förderung wurde jedoch die jüngere Bevölkerungsschicht.

Vertiefte Risikoanalyse im zweiten Teil

Gerade die schlechtere finanzielle Lage der Nutzer der Vorsorgegelder führt immer wieder zu politischen Diskussionen. Es wird befürchtet, dass Personen mit Vorsorgegeldern Wohneigentum kaufen, die es sich eigentlich gar nicht leisten können und für diese im Alter dann die Allgemeinheit durch Sozial- und Nothilfe aufkommen muss. «Das grösste finanzielle Risiko gehen jene ein, die für den Kauf von Wohneigentum sowohl Vorsorgegelder als auch Darlehen und Erbschaften nutzen», erklärt Seiler Zimmermann. Von den Befragten waren dies drei Prozent. In einem zweiten Teil des Projektes analysieren die Forscherinnen nun, inwieweit die Beanspruchung von Vorsorgegeldern die finanzielle Sicherheit im Alter schmälern kann. Diese Resultate liegen voraussichtlich Anfang nächsten Jahres vor.

Erste Teilstudie des Forschungsprojekts «Nutzung von Vorsorgegeldern zur Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum» veröffentlicht
Das Forschungsprojekt wird von 22 Wirtschaftspartnern unterstützt und durch die Kommission für Technologie und Innovation KTI mitfinanziert. Die Erkenntnisse des ersten Teils sind in der Studie «Nutzung von Vorsorgegeldern zur Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum – Eine deskriptive Analyse» zusammengefasst. Diese ist seit heute erhältlich unter: ifz@hslu.ch

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Nutzung von Vorsorgegeldern für Wohneigent...

17. September 2013

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