26. Februar 2012

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Das Märchen vom knappen Bauland

Der Schweiz geht das Bauland aus. Die Bauzonen sind an verschiedenen Orten bereits in wenigen Jahren aufgebraucht. Wohnraum wird in der Schweiz damit noch teurer, die Wohnungsknappheit noch grösser. Solche und ähnliche Schlagzeilen sind in letzter Zeit häufig zu lesen.

Vermeintliche Bodenknappheit gab es weltweit bereits öfters. Ab 1880 strömten beispielsweise im Zusammenhang mit dem Goldrausch tausende nach Südkalifornien.  Aufgrund des knappen Landangebotes stiegen die Bodenpreise ins unermessliche. 1888 platzte die Blase und brachte viele Leute um ihr ganzes Vermögen. Damals lebten in Kalifornien 860’000 Personen, heute sind es 37 Mio!

Die Schweiz erlebt heute etwas ähnliches. Aufgrund unserer wirtschaftlichen Attraktivität und hohen Lebensqualität zogen im Durchschnitt der letzten 30 Jahre rund 50’000 Personen pro Jahr neu in die Schweiz, seit Einführung der Personenfreizügigkeit sogar zwischen 70’000 und 100’000 Personen. Damit musste jedes Jahr eine Stadt in der Grösse von Luzern-Littau zur Unterbringung der Neuzuzüger gebaut werden.

Neben der preistreibenden Wirkung wird insbesondere auch die Zersiedelung der Landschaft zum Problem. Jede Sekunde wird in der Schweiz heute eine Fläche von ca. 1 qm verbaut, das heisst alle zwei Stunden die Fläche eines Fussballfeldes oder jährlich die Fläche des Walensees. Mehr und mehr wird das Mittelland zur zusammenhängenden Agglomeration mit einem undefinierten Siedlungsbrei. Damit zerstören wir einen Grundpfeiler unserer hohen Lebensqualität und schaffen massive ökologische Probleme aufgrund der induzieten Pendlerströme.

Muss diese Entwicklung als Kehrseite unseres wirtschaftlichen und politischen Erfolgsmodells Schweiz einfach hingenommen werden oder kann etwas dagegen getan werden?

Interessanterweise sind unsere Städte noch bei weitem nicht an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. In Luzern-Littau leben gerade mal 2’600 Personen pro Quadratkilometer. In Zürich sind es zum Vergleich 4’000 Personen, in Genf 11’700. In Paris sind es rund 20’000 Personen! Sowohl im Schweizerischen als auch im internationalen Vergleich besteht also noch viel Verdichtungspotential. Die Zürcher Kantonalbank kommt denn auch zum Schluss, dass in der inneren Verdichtung der Städte dreimal so viel Potenzial schlummert wie in den heute bereits eingezonten noch unbebauten Bauzonen

Das althergebrachte schweizerische Selbstbild von der dezentralen, ländlichen Region und die Angst vor starken Zentren muss hinterfragt werden. Die mit dem Aufkommen des Internets verbundene Vorstellung, dass die Leute dezentral wohnen und arbeiten und ohne grosses Reisen kommunizieren hat sich mittlerweile als Illusion entpuppt. Das Gegenteil ist eingetreten: die Konzentration auf attraktive Zentren hat sich weiter verstärkt. Die aktiven, kreativen Macher wollen dort leben, wo andere spannende Leute sind und wo intellektuell, kulturell und wirtschaftlich etwas läuft. Die Bedeutung starker Metropolen hat weltweit massiv zugenommen.

Verdichtung geistert als Schlagwort seit längerem durch die Welt, konkrete Taten fehlen aber häufig. In die Höhe bauen ist zwar wieder in. Nicht nur in Zürich, sondern auch in Luzern und Zug.

Bisher allerdings, ohne, dass die Ausnützungsziffern massiv erhöht wurden. Dies wäre jedoch eine Voraussetzung, um wirkliche Verdichtung zu erreichen.

Ein grosser Vorteil der Schweiz ist ihr mittlerweile sehr engmaschiges (öffentliches) Verkehrsnetz. Insbesondere mit den S-Bahnen hat sich die Schweiz eine hervorragende Basis zur Siedlungsentwicklung in einer grösseren, regional zusammenhängenden „Stadtlandschaft“ geschaffen. In den Zentren und um die damit vernetzen S-Bahnstationen ist die Ausnützung zu erhöhen. Damit können verdichtete, multifunktionale, miteinander verbundene Kleinzentren geschaffen werden. Wenn zusätzlich Ausnützungsboni für ökologisches oder soziales Bauen gewährt werden, kann die entsprechende Steuerung mit marktwirtschaftlichen Instrumenten erreicht werden. Zudem wird die unökologische Verkehrs- und Stauproblematik entschärft.

Das von Bund, Kantonen und Gemeinden entwickelte Raumkonzept Schweiz ist eine gute Basis. Das Denken in „Metropolitanregionen“ bietet die Chance für zukunftsfähige Lösungen. Die Umsetzung bedingt aber eine Koordination der Gemeinden, Städte und Regionen und die Bereitschaft, in etwas grösseren, zukunftsgerichteten Dimensionen zu denken. Die in den nächsten Jahren anstehenden raumplanerischen Entscheide bieten eine Chance die es zu packen gilt!

Weitere Informationen zum Thema:

Raumkonzept Schweiz

Avenir Suisse: Magnet Schweiz

Wertvoller Boden: Die Funktion des Bodenmarktes im Kanton Zürich (ZKB / Statistisches Amt)

Richard Florida: The Rise of the Creative Class

Artikel NZZ: Die verdichtete Stadt

Institut für Betriebs- und Regionalökonomie – RGB-Simulator: Sollen Gemeinden wachsen?

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Kommentare

2 Kommentare

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1. März 2012

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Wiibärgschnägg

26. Februar 2012

Es mag ja sein, dass knappes Bauland ein Märchen ist. Trotzdem sollte sich die Immobilienbranche nicht dazu verleiten lassen, Industriearbeitsplätze zu vernichten um an neue Ressourcen zu kommen (Beispiel Cham Paper Group, Cham). Leider werden so immer öfter Arbeitsplätze zum Spielball von Spekulanten gemacht.

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