26. Mai 2010

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Maurice Pedergnana im Interview mit der Handelszeitung vom 26. Mai 2010

Der Verband der Schweizer Private Equity Branche SECA hat jüngst eine Konferenz unter dem Titel „das Comeback von Private Equity“ durchgeführt. Ist das nicht etwas zu optimistisch?

Maurice Pedergnana: An diesem Anlass haben über 100 Vertreter der verschiedensten Marktteilnehmer teilgenommen; es finden wieder Transaktionen wie Börsengänge und Übernahmen statt. Eine gewisse Risikofreudigkeit ist zurück, allerdings nicht in der fast blinden Art und Weise, wie sie Private Equity in den Jahren 2006 und 2007 geprägt hat.

 Jetzt ist wieder Besonnenheit eingekehrt?

Pedergnana: In der Schweiz wie in Kontinentaleuropa hat es in den letzten 24 Monaten eine Strukturbereinigung gegeben, die der Branche letztlich gut getan hat. Die Unternehmen, welche überlebt haben, sind hinsichtlich Strategie, Struktur und Kultur fitter als noch vor zwei Jahren. Die Krise hat zudem alten kaufmännischen Grundsätzen wieder Auftrieb gegeben gegenüber dem reinen Shareholder-Value-Denken. In der Schweiz hat es aber nie jene Auswüchse gegeben, wie sie im angelsächsischen Raum gebräuchlich waren.

 Die milliardenschweren Mega-Buyouts sind also definitiv Vergangenheit?

Pedergnana: Im Gegenteil, ich bin überzeugt, dass diese wieder zurückkommen werden – aber vielleicht erst in zehn Jahren. Ich sehe etwa eine enorme Kapitalanhäufung in China. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden dort gigantische Kapitalströme den Binnenmarkt verlassen und im Ausland nach Objekten suchen. Die Kapitalkraft eines grossen chinesischen Unternehmens übersteigt die Börsenkapitalisierung einer UBS oder Credit Suisse um ein X-Faches.

 In fünf Jahren ist die UBS chinesisch?

Pedergnana: Vielleicht erst in zehn…Wo UBS wirklich wächst, ist China. Das macht chinesische Milliardäre und Institutionelle sehr aufmerksam. Chinesische Übernahmen in der Schweiz sind absolut denkbar. In einer ersten Welle haben sich die Chinesen ja weltweit Rohstoffvorkommen gesichert. In Zukunft wird sich aber ihre Wirtschaft zunehmend auf höhere Wertschöpfungsstufen ausrichten – da werden etwa Schweizer Pharma-, Industrie und Finanzunternehmen mit hoher Servicequalität und viel Know-how plötzlich interessant.

 Und für die Private-Equity-Investoren bleiben nur die Brosamen übrig?

Pedergnana: Nein, weltweit sind immer noch 600 Milliarden Franken in Buyout Funds „parkiert“ und warten auf Investitionsgelegenheiten. Der Markt der Small- und Mid-Buyouts steht zwar nicht so sehr im Rampenlicht, dafür ist er aber auch in der Krise nicht wirklich zusammengebrochen. Für Transaktionen sorgt hier etwa die biologisch unabwendbare Nachfolgefrage, etwa durch den Verkauf ans Management oder dann an andere Firmen. Der Eigenkapitalanteil war ist solchen Deals übrigens stets recht hoch – gegenüber früher 30% ist der Anteil nun auf über 50% gestiegen.

 Das hat wohl auch damit zu tun, dass sich die Banken mit Krediten zurückhielten. Gilt die Kreditklemme für Private Equity immer noch?

Pedergnana: Man darf nicht vergessen, dass die Marktkonditionen für Kredite bis ende 2007 extrem gering waren. Auf einzelnen Transaktionen zahlte man 50 bis 70 Basispunkte als durchschnittliche Risikoprämie – das reizt zu einem hohen Leverage. Diese Summe hat sich dann in den letzten zwei Jahren teils vervielfacht. Jetzt sehen wir, dass die Konditionen langsam wieder günstiger werden. Aber sie sind immer noch deutlich entfernt von den Niveaus von 2007. Transaktionen fanden zumal in der Krise dort statt, wo die übernommen Unternehmen gute, defensive Cashflows aufwiesen – etwa im Konsumgüterbereich. Anderseits gab es bei Zyklikern durchaus Schnäppchen, wo man heute sagen muss: Schade, habe ich die Chance nicht genutzt.

Die Übernahmepreise steigen bereits wieder?

Pedergnana: Ja. Zudem ist zu beobachten, dass Portefeuilles von Private Equity Firmen, die in der Krise mit einem Abschlag von bis zu 60% auf den Markt geworfen wurden, jetzt beim Besitzer bleiben. Der wartet nun lieber, bis der Wert des Portefeuilles wieder steigt.

 Es gibt also weniger notleidende Portefeuilles?

Pedergnana: Die Abschläge sind noch da, aber sie haben sich deutlich verringert. Für strategische Investoren ist dies eine grosse Chance: Der Versicherer Axa  etwa hat während der Krise zu sehr günstigen Preisen Portefeuilles aufgekauft, und ist so innert Kürze zum grössten institutionellen Private-Equity-Investor Westeuropas aufgestiegen.

 Allerdings hüten sich die meisten institutionellen Investoren seit der Krise davor, in Private Equity zu investieren…

Pedergnana: …dabei  macht Private Equity aus der langfristigen, strategischen Anlageperspektive etwa einer Versicherung oder einer Pensionskasse durchaus Sinn. Erstaunlicherweise haben sich die Kassen in der Krise einmal mehr prozyklisch verhalten – in den besten Zeiten für Zukäufe haben sie Private-Equity-Positionen verkauft. Stattdessen erwarben sie Staatsanleihen, deren Risiken heute für alle – und von strategischen Analysten seit langem – offensichtlich sind.

 Es gibt aber Pensionskassen, die direkt in Private Equity investieren – der Fonds Renaissance KMU  etwa investiert Pensionsgelder gezielt in Schweizer Unternehmen. Könnte dieses Beispiel Schule machen?

Pedergnana: Aus einer langfristigen Sicht macht dies sehr viel Sinn. Ich bin überzeugt, dass eine Pensionskasse, welche die Interessen ihrer Destinatäre tatsächlich berücksichtigen will, die Diversifikation abseits von der Marktvolatilität der Börsen suchen sollte. Kommt hinzu, dass Investoren bei nicht kotierten Unternehmen gezielt und viel stärker in die Governance-Struktur eingreifen können. Die Auswüchse bei den Vergütungen, die wir bei Börsenunternehmen sehen, gibt es bei Private Equity praktisch nicht.

 Doch am Schluss zählt die Rendite: Weniger Fremdkapitaleinsatz, Wertberichtigung auf den Anlagen – das alles belastet doch die Performance der Private-Equity-Investoren?

Pedergnana: Studien haben gezeigt, dass der Leverage-Faktor etwa 20% der Rendite einer Private-Equity-Transaktion ausmacht. Hatte man früher mit hohem Leverage eine Renditeerwartung von 12 bis 15%, so liegt diese heute bei nachhaltigen 9 bis 12%. Gleichzeitig steigt aber der unternehmerische Handlungsspielraum, denn ein hoher Fremdkapitaleinsatz ist nicht selten mit wiederholt zähen Verhandlungen mit den Banken verbunden. Darin müsste auch eine Kompensation liegen; auch mit weniger Fremdkapitaleinsatz kann ich interessante unternehmerische Opportunitäten wahrnehmen, was manchmal einfach mehr Geduld benötigt.

 Doch die Investoren halten sich trotzdem  zurück.

Pedergnana: Das Fundraising ist derzeit die grösste Herausforderung für Private Equity in der Schweiz, ja in ganz Europa. Zuerst wollen die Investoren wissen, ob die bestehenden Fonds jetzt in der Lage sind, ihre Renditeversprechen zu halten und ihre Portefeuilles zu bereinigen, bevor sie wieder neues Geld einschiessen. Damit einher geht die Entwicklung, dass Grossinverstoren nun Einfluss auf die Gebührenstruktur nehmen wollen. Investoren haben heute mehr Macht als noch vor zwei Jahren. Eine dritte Herausforderung ist schliesslich, dass sich immer mehr Familiy Offices in der Schweiz niederlassen und direkt in Firmen investieren, statt zuerst auf einen Fundmanager zuzugehen.

 Der Private-Equity-Manager wird wegrationalisiert?

Pedergnana: Dieses Geschäftsmodell konkurriert eindeutig mit dem von Private Equity. Die herkömmlichen Manager müssen sich gut überlegen, warum man wirklich auf sie zurückgreifen sollte. Ich vermute, dass unter den Fondsmanagern daher in den nächsten zehn Jahren ein klarer Bereinigungsprozess stattfinden wird.

 Wer überlebt?

Pedergnana: Es braucht eine minimale Grösse, um branchenübergreifend Chancen zu nutzen. Eine Existenzberechtigung haben auch die Nischenanbieter, die sich auf ganz wenige Deals innerhalb eines Marktbereichs konzentrieren. Auf jeden Fall muss man entweder Performance, ein spezielles Netzwerke oder ein überragendes Know-how bieten können. Gelder ziehen gegenwärtig vorab Portefeuilles auf Mid-Buyouts, Turnaround-Situationen und potenziellen Börsenkandidaten an.

 Ist demnach wieder vermehrt mit Börsengängen zu rechnen?

Pedergnana: Die dominierende Transaktion in den letzten zwei Jahren war der Verkauf an industrielle Partner. Das hat auch mit dem Trend zu tun, dass Firmen wieder mehr horizontal integrieren, ihre Erträge also aus mehr Sparten und Geschäftsfeldern beziehen. Das bedeutet auch, dass die Strategie wesentlich wichtiger ist als das „Financial Engineering“. Ich glaube deshalb, dass in den nächsten Jahren die Haupt-Exit-Strategie für Private Equity über M&A statt über Börsengänge laufen wird. Nur ein kleinerer Teil wird an die Börse gebracht werden können.

 Dann bleiben Unternehmen wie Orior, das die Private-Equity-Gesellschaft Capvis  kürzlich an die Börse verkauft hat, eine Ausnahme?

Pedergnana: In der Schweizer Unternehmenslandschaft sind derzeit 50 bis 80 unternehmerische Beteiligungen vorhanden, die grundsätzlich in einer Börsenkotierung münden könnten. Aus dieser Zahl rechne ich etwa mit 10 IPO in den nächsten zwei Jahren.

 Und wie sieht es am anderen Ende des Unternehmenszyklus aus, bei den Start-ups?

Pedergnana: Die ganze Start-up-Phase von Unternehmen kommt für institutionelle Investoren derzeit nicht in Frage. Niemand will mit Wagniskapital Geld verlieren. Das ist jedoch ein volkswirtschaftliches Problem: Denn den Startup-Firmen vorgelagert sind die Hochschulen und Universitäten; in diesem Bereich findet der Technologietransfer statt. Wenn dort keine Mittel mehr vorhanden sind – wie soll denn die Wirtschaft mit innovativen jungen Unternehmen genährt werden?

 Ihre Antwort?

Pedergnana: Wir haben ein Venture Capital Manifest vorbereitet. Wir verlangen vom Bundesrat eine klare innovationspolitische Strategie, welche die Innovation in Bereichen wie etwa Cleantech fördert, und das nicht nur an den Universitäten.

 Darum kümmern sich doch schon staatliche Organisationen wie der KTI.

Pedergnana: Die KTI macht einen guten Job, wird nun aber verselbständigt und muss mit einer grossen Zielsetzung und entsprechenden Mitteln ausgestattet werden. Wir schlagen deshalb die Form eines Swiss Investment Fonds vor: Dieser würde als Public Private Partnership funktionieren, auf einen Franken des Bundes kämen dabei zwei von privaten Investoren. Den Investment Managern wäre es dann überlassen, gewinnbringende Investitionen und Opportunitäten in der Schweizer Wirtschaft ausfindig zu machen und insbesondere am Übergang von der Invention zur beschäftigungswirksamen Innovation zu fördern.

 Der Steuerzahler soll einspringen, weil die privaten Investoren nicht mehr wollen?

Pedergnana: Mann muss wissen, dass 80% der Wagniskapitalgelder in Löhne fliessen – und die wiederum werden besteuert. Bei 6 Mrd Fr. Venture-Capital-Investments von privater Seite während der letzten zehn Jahren flossen – bereits vor der Gewinnbesteuerung – so etwa 1 Mrd Fr. an den Staat zurück. 500 Mio Fr. oder die Hälfte davon könnten doch dann wieder für die Innovationsförderung genutzt werden?

 Mit ihrem Manifest zielen sie in dieselbe Richtung wie die SP mit ihrer Cleantech-Initaitive – der gleichen Partei, in der Sie Mitglied sind und viele Beziehungen haben. Spannen jetzt Heuschrecken und Finanzinvestoren zusammen?

Pedergnana: Beziehungen sind nicht entscheidend, aber ich glaube immer noch an den gesunden Menschenverstand. Privates Wagniskapital generiert doch keine Heuschreckenplage! Schreckhaft wäre dagegen, wenn man für neue Ideen kein Geld mehr hätte. Die SP-Initiative  unterstütze ich persönlich, weil der Staat seine Lenkungskraft nicht erst dann demonstrieren soll, wenn die Marktwirtschaft am Boden liegt. Wenn der Verband etwas in diese Richtung unternehmen will, muss die Initiative jedoch vom Vorstand ausgehen. Die Seca hat aber gerade ein Abkommen unterzeichnet, das vorsieht, zusammen mit der neu geschaffenen Swiss Cleantech Association und dem WWF einen jährlichen Cleantech Day zu organisieren und so eine neue Plattform zu schaffen. Etwa, um auch internationale Investoren für innovative Cleantech Unternehmen, die es in der Schweiz zweifelsohne gibt, zu gewinnen. So lässt sich die Wirtschaft auf gesunde Beine für nachfolgende Generationen stellen.

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