Zeitreisen im Stadtraum – Historische Bilder ergänzen den Echtraum

Helge David (Kunstwissenschaftler und Kommunikationsberater) über das Reisen in der Zeit.

Zeitreisen – ergänzende Geschichten zu einer Ausstellung

Blättern wir in alten Fotoalben, wird unter anderem offensichtlich, wie stark sich alles verändert hat: Menschen, Fahrzeuge, Kleider – alles kommt uns meist bereits fremd vor. Gleichzeitig erinnern wir uns mit den Fotos auch ganz einfach an früher. Das heisst, im Grunde begeben wir uns auf eine kleine, mentale Zeitreise, die uns die damaligen Verhältnisse oftmals anhand von wiederkehrenden Familienfeiern und Schulveranstaltungen vergegenwärtigt.

Zwischen April und Herbst letzten Jahres konnte man sich im Rahmen der Stadttour zur Heinrich Hertz-Ausstellung in Bonn auf eine ähnliche Zeitreise begeben. Historische Bilder und Multimediadokumente entführten die Besucher und Besucherinnen der Tour auf eine Reise in die Zeit der ersten Experimente mit elektromagnetischen Wellen – respektive Radiowellen. Es war Heinrich Hertz, der 1880 erstmals künstlich Radiowellen erzeugte.

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Zeitreise ins 19. Jahrhundert – die HZCachingTour

Die HZCachingTour funktionierte wie eine Schnitzeljagd. Der Besucher begab sich anhand von Hinweisen auf dem Stadtplan von einer Tour-Station zur nächsten und bekam mehr über das Leben von Hertz erzählt. Historische Fotos, Texte oder Aufnahmen berichteten von vergangenen Zeiten. Und indem die Materialien in Verbindung mit den jeweiligen Strassen, Gebäuden oder Plätzen standen, verbanden sie den realen Stadtraum mit historischen Ereignissen.

Konkret waren die Caching-Tour-Stationen über QR-Codes mit historischen Fotos, Filmen, Stadtkarten oder Tonmaterial verlinkt. So war beispielsweise eine kurze Rede von Einstein aus dem Deutschen Rundfunkarchiv in die Tour eingebaut. Besucher hatten über ihr persönliches Smartphone Zugriff auf die Daten, indem sie den QR-Code abfotografierten (einzige Voraussetzung dafür ist das entsprechende Code-Leser-App). Einstein preist in seiner Rede die Entdeckung der Radiowellen durch Hertz. Andere Texte wiederum erzählen von Beziehungen des Wissenschaftlers in Bonn, von Wohnungen, in denen er aus- und einging, von Labors, in denen er Tage und Nächte an Experimenten bastelte etc.. In den Film- und Tondokumenten entstand so etwas wie eine erweiterte Realität zur Bonner Innenstadt. Helge David nannte es eine Art Zeitreise und meinte dazu:

Dinge wurden für die Besucher der Tour in gewisser Hinsicht im Zeit-Raum-Kontinuum verschoben.

Offen bleibt, inwiefern diese Überlagerung der unterschiedlichen Realitäten für die Besucher auch eine Möglichkeit war, die Dokumente und Fotos mit eigenen Fotos aus dem familiären Kontext zur verknüpfen und damit eine Brücke zu eigenen Erinnerungen zu bauen. Damit hätte eine noch stärkere Identifikation ermöglicht werden können, welche – wie bereits im im Blogpost zum Gespräch mit Franziska Dürr beschrieben –  sowohl Aufmerksamkeit als auch Halbwertszeit der Eindrücke erhöht hätte.

Station 4 „Ein Haus mit Geschichte“ aus der HZCachingTour. Hertz kaufte das Haus an der Quantiusstrasse 13 im Januar 1898. Der QR-Code Link zeigte u.a. Bilder des Hauses im Originalzustand
Station 4: „Ein Haus mit Geschichte“ aus der HZCachingTour. Hertz kaufte das Haus an der Quantiusstrasse 13 im Januar 1898. Der QR-Code Link zeigte u.a. Bilder des Hauses im Originalzustand

Konzipiert wurde die Stadttour von Helge David als ergänzendes Begleitprogramm zur entsprechenden Ausstellung im Deutschen Museum. In Anlehnung an die moderne, satellitengestützte Schnitzeljagd – das Geo-Caching – nennt sich das ganze HzCachingTour. Der Begriff ‚Cache’ wird im Englischen für ‚unterirdischer Schatz’ verwendet. Schätze gab es auf der Bonner-Tour insbesondere in Form von Geschichten über Herzt zu bergen.

Das Deutsche Museum hat den Fokus Forschung und Technik in Deutschland nach 1945. Von April 2012 bis Januar 2013 wurde die Ausstellung zum Physiker Heinrich Hertz gezeigt. Die Ausstellung gehört zu einer Reihe von Ausstellungen über bedeutende Wissenschaftler.

Der Text ist auf Grund eines Interviews mit Helge David entstanden. Das Interview war Teil der Serie zum Thema “Storytelling im Museum”. Die Gespräche fanden bereits im Sommer 2012 statt.  Sämtliche Interview-Beiträge werden unter dem Stichwort  Storytelling-Interviews 2012 gesammelt.

 


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